Damit sind wir bei der Preisfrage: In welcher Zyklusphase hat man die meiste Energie? Wann macht es Sinn, so richtig Gas zu geben? Ausnahmsweise fällt die Antwort mal eindeutig aus: in der Follikelphase!
Fun, fun, Follikelphase: die erste Zyklushälfte
Durch den steigenden Testosteron- und Östrogenspiegel bis zum Eisprung herrschen Topbedingungen für den Muskelaufbau (anaboler Stoffwechsel). Für Trailrunnerinnen ist es also sinnvoll, ungefähr ab der Mitte der Menstruation den Fokus auf intensive Einheiten zu legen: Tempotraining, (Berg-)Intervalle bzw. hill repeats, der längste aller Longruns, Routen mit steilen Anstiegen – und so weiter.
Wo wir gerade beim Stichwort Routen sind: In dieser Phase bietet es sich außerdem an, neue Strecken auszuprobieren oder die Downhill-Skills auf wurzeligem Terrain zu trainieren. Denn jetzt ist die Konzentrations- und Koordinationsfähigkeit tendenziell am besten.
Mir persönlich kommt das alles durchaus bekannt vor. Frag mich in den ersten 1,5 Wochen meines Zyklus, ob ich mir ein 100-Kilometer-Rennen zutraue, und ich sage wahrscheinlich: „Nur eins? Mach drei draus!“ Wenn ich in dieser Phase trainiere, ist es ein bisschen wie früher bei Need for Speed: Nitro zünden, als gäbe es kein Morgen.
Genau wie früher kommt allerdings irgendwann die Erkenntnis: Tja, das war’s jetzt wieder mit dem Beschleunigen. Nämlich dann, wenn in den Tagen nach dem Eisprung der Progesteronspiegel langsam anzusteigen beginnt.
Runter vom Gas: die zweite Zyklushälfte
Nach dem Eisprung werden die Bänder und Sehnen weicher – es könnte schließlich eine Schwangerschaft vorliegen. Dieser „dehnbare“ Zustand bedeutet unter anderem ein leicht erhöhtes Verletzungsrisiko. Auch mit dem Muskelaufbau ist es in der Lutealphase nicht mehr weit her; nun geht es eher darum, die Kraft zu erhalten. Energie? Reden wir bitte nicht drüber …
In Sachen Trailrunning heißt es in dieser Phase jedenfalls: im Zweifelsfall einen Gang runterschalten. Jetzt ist es einfacher, bei altbekannten Strecken zu bleiben, die vielleicht nicht supertechnisch sind, auf Forststraßen statt wurzeligen Singletrails – oder mal ein anderes Training einzuschieben, wie z. B. eine Runde schwimmen.
Was „Runterschalten“ heißt, kannst aber nur du selbst entscheiden. Vielleicht gehörst du zu den Glücklichen, die kaum Probleme mit PMS, Wassereinlagerungen, Müdigkeit etc. haben. Vielleicht kommst du entsprechend ab der Mitte deines Zyklus trotzdem mit langen Läufen und Uphills klar.
Vielleicht geht es dir aber auch wie mir und du hast dann schon beim Gedanken an mehr als 5 Höhenmeter einen Mini-Meltdown: Was, DA rauf?! Im Ernst jetzt. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich nach Kilometer 1 wieder umgekehrt bin. Mit den Nerven am Ende und gedanklich nur bei der Lasagne, die daheim schon im Ofen war.
Leave no snack behind
Apropos Lasagne: Wenn du zum Ende des Zyklus das Gefühl hast, du könntest eine Woche essen und wärst trotzdem nicht satt – das ist kein Zufall. Nach dem Eisprung kann die Körpertemperatur um bis zu 0,5 Grad steigen und bis zur nächsten Menstruation auf diesem erhöhten Level bleiben.
Du verbrauchst dadurch bis zu 200 Kalorien mehr und kommst schneller ins Schwitzen. Gerade im Sommer kann sich das recht schnell bemerkbar machen. Unabhängig von der Jahreszeit bzw. Temperatur zahlt es sich aber grundsätzlich in der zweiten Zyklushälfte aus, ein Gel oder einen Riegel mehr einzupacken. (Lasagne ist da leider ein bisschen unpraktisch.)
Unterm Strich können wir also festhalten: Circa die erste Hälfte des Zyklus ist ideal, um all-in zu gehen und anstrengende Einheiten durchzuziehen. Wenn dann aber die Menstruation näherkommt und du dich vielleicht nicht mehr so ganz auf der Höhe fühlst, ist es völlig legitim, die Intensität runterzufahren.