GTNS: Tatort Taschachhaus

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Hoch oben im Pitztal fand nach dem Ausfall des Zermatt Marathons der dritte Stopp der Golden Trail National Series statt. Von einem engen Rennen in einem engen Tal.

Im Pitztal ist es eng. Wo die Wände rechts und links steil nach oben steigen, bleibt nicht viel Platz am Talboden. Ein paar wenige Häuser, ein paar Kühe und Pferde – viel mehr Raum gibt es nicht im Talschlussort Mandarfen. An diesem Wochenende aber wurde es dennoch voll. Der Pitz Alpine Glacier Trail war einmal mehr ausverkauft und so bevölkerten Hunderte Trailrunner die Start-Ziel-Arena auf dem Dorfplatz.

So eng wie am Pitztaler Talboden, so eng ging es auch beim dritten Stopp der Golden Trail National Series, dem Taschachferner Trail (28 km 1300 hm), zu. Schon die beiden ersten Rennen in Bad Reichenhall und in Garmisch Partenkirchen waren bis zum Schluss heiß umkämpft, aber auf den Trails rund um das Taschachhaus auf 2434 Metern Seehöhe wurde die Luft im wahrsten Sinne des Wortes richtig dünn. Obwohl! Einer schien viel mehr Luft zu haben als alle anderen. Manuel Innerhofer, der Sieger aus Garmisch Partenkirchen, lief in Abwesenheit seines Bruders Hans Peter ein ganz einsames Rennen. „Ich wollte mein eigenes Rennen laufen. Nicht so auf die Konkurrenz schauen“, erzählt er uns im Ziel. Das gelang ihm hervorragend. Schon im ersten steilen Anstieg hinauf zum Rifflsee enteilt er der kompletten Konkurrenz und läuft bis ins Ziel einen Vorsprung von 15 Minuten heraus. 2:19:56 – Manuel schlägt seinen eigenen Streckenrekord aus dem Jahr 2022 um gut eine Minute.

© Jan Lenfert

Kopf an Kopf

Nur Manuel Innerhofer läuft in seiner eigenen Welt und entflieht als einziger der Enge des Tals. Hinter ihm aber entbrannte sich ein wahnsinnig spannender Kampf um die Platzierungen. Besonders bei den Frauen geht es unglaublich eng zu. Ein neues Gesicht wirbelt das Rennen von Beginn an auf. Kirsten De Baey-Ruszin kommt eigentlich vom Niederrhein und dem Langdistanz-Triathlon. Seit einigen Jahren lebt sie im Chiemgau und läuft Berg- und Traillaufwettkämpfe. Dieses Jahr siegte sie schon beim Stubai K31. Es ist ihr erster Start bei der Golden Trail National Series, was sie nicht davon abhält, gleich zu Beginn das Tempo zu bestimmen. Zusammen mit Marion Leiberich, der Siegerin aus Garmisch-Partenkirchen, kommt sie oben am Rifflsee an. Jetzt geht der Lauf aber erst richtig los. Mit dem Fuldaer Höhenweg wartet ein langer alpiner Trailabschnitt auf die Führenden. Es geht rauf, es geht runter, immer verblockt, immer steinig. Am Ende, kurz vor dem Taschachhaus, hängen sogar Sicherungsseile an den heikelsten Trailpassagen. Dort stehen wir, um die Läuferinnen und Läufer mit unserer Kamera einzufangen.

Die volle Action im Reel Format:

Mit langen Schritten steigt die hochgewachsene De Baey-Ruszin als erste Läuferin die letzten steilen Höhenmeter des Rennens hinauf. Knapp hinter ihr Marion Leiberich. Die aus Karlsruhe stammende, aber in Südafrika lebende Läuferin belegt kürzlich Platz acht beim international stark besetzten WMRA Weltcup in Saint Gervais. Beide, De Baey-Ruszin und Leiberich, sind sehr starke Bergläuferinnen und vor allem auf den Uphillpassagen überlegen.

Nadja Fässler hingegen kommt aus der Schweiz und geht gern Bergsteigen. Die anspruchsvollen Pfade im hinteren Taschachtal kommen ihr entgegen. Äußerst geschickt und mit viel Eleganz springt sie von Stein zu Stein. Schnell hat sie Marion Leiberich ein- und überholt. Kurz nach dem Taschachhaus geht es noch mal 300 Höhenmeter technisch hinab, bevor ein langer, leicht abfallender Forststraßenabschnitt zurück ins Ziel wartet. Wird sie sich auch die führende De Baey-Ruszin schnappen können? Tatsächlich: Ein paar steile Spitzkehren und sie ist dran. Kaum bietet der Trail ein paar Zentimeter mehr Breite, springt Fässler elegant vorbei. Würde der Trail genau so bis hinab ins Ziel führen, Fässler hätte wohl klar gewonnen, so eindeutig ist ihre Dominanz im technischen Downhill. Aber das ist ja das Schöne am Trailrunning. Kaum ändert sich das Gelände, ändert sich auch die Rennsituation.

Die finalen 6 Kilometer auf der Forststraße, immer seicht abfallend das Tal hinaus sind das Terrain der ehemaligen Triathletin De Baey-Ruszin. Langsam aber stetig kämpft sie sich wieder heran und holt sich letztendlich die Führung zurück, um sie bis ins Ziel nicht mehr abzugeben. Hinter den beiden Führenden entbrennt ein weiterer Zweikampf. Karin Hahn, die Führende in der GTNS-Gesamtwertung hat sich im Technischen an Marion Leiberich herangekämpft. Beide laufen nur wenige Meter hintereinander in einem Höllentempo das Tal hinaus. Hahn ist die Schinderei ins Gesicht geschrieben. Sie gibt alles, um dran zu bleiben, muss Leiberich am Ende aber doch ziehen lassen. Zwei Minuten und 37 Sekunden trennen De Baey-Ruszin, Fässler, Leiberich und Hahn am Ende. Enger als dieser Trail-Krimi ist nur das Pitztal selbst.

Garmisch Partenkirchen Trail (Frauen)
PlatzNameZeit
1Kirsten De Baey-Ruszin3:07:51
2Nadja Faessler3:09:30
3Marion Leiberich3:09:51
4Karin Hahn3:10:28
5Jana Klaiber3:14:13
6Madlen Kappeler3:17:05
7Isabell Speer3:17:39
8Silvia Schwaiger3:20:01
9Severin Petersen3:20:13
10Lena Ritzel3:21:33

Heißer Fünfkampf

Auch bei den Herren ist es hinter dem einsamen Sieger sehr eng. Ein italienisches Dreigespann taucht hinter Innerhofer als erstes auf. Lukas Gasser, Lukas Mangger und Andreas Reiterer haben denselben Rhythmus. Letzterer siegte erst kürzlich beim Eiger Ultra Trail. Der Spitzen-Läufer aus Südtirol baut fast jedes Wochenende kürzere Rennen in sein Training ein, um sich auf seine Hauptwettkämpfe vorzubereiten. Ein wahnsinniges Pensum. Kurz hinter den Dreien laufen Dominik Hohenleitner und Johannes Nussbaumer zusammen. Die beiden können schließlich auf die drei Italiener aufschließen. Auf der finalen Forststraße ist es dann tatsächlich ein Fünfergespann, welches um die verbleibenden Podiumsplatzierungen fightet. Der Deutsche Hohenleitner und der Österreicher Nussbaumer haben den größten Kampfeswillen, schließlich geht es für beide noch um wichtige Punkte in der Gesamtwertung. Am letzten kurzen Gegenanstieg kann sich Hohenleitner kurz von den anderen absetzen, muss sich dann aber der Konterattacke von Nussbaumer geschlagen geben. Mit nur 7 Sekunden Abstand fallen beide völlig erschöpft, aber jeweils sehr glücklich mit ihrer eigenen Leistung ins Ziel. Keine drei Minuten liegen am Ende zwischen Platz zwei und Platz sechs.

Sehr gespannt konnte man vor dem Rennen auf das Abschneiden des Trail-Einsteigers Max Rahm sein. Der Wings For Life World Run Sieger hatte sich viel vorgenommen für sein erstes Trailrennen im Jahr 2024, stieg aber nach dem ersten Uphill auf Platz 13 liegend aus dem Rennen aus und zeigte sich nach dem Rennen sichtlich enttäuscht.

Garmisch Partenkirchen Trail (Männer)
PlatzNameZeit
1Manuel Innerhofer2:19:56
2Johannes Nussbaumer2:34:55
3Dominik Hohenleitner2:35:02
4Andreas Reiterer2:35:57
5Lukas Gasser2:36:11
6Lukas Mangger2:37:49
7Dominik Matt2:39:54
8Maximilian Zeus2:43:36
9Andreas Schindler2:44:27
10Raphael Rakut2:46:26

Siegerin und Sieger: Kirsten De Baey-Ruszin und Manuel Innerhofer

„Das Renntempo selbst bestimmen fällt mir einfacher, als wenn ich mich mein Pacing von der Konkurrenz abhängig machen muss“, äußert sich Sieger Manuel Innerhofer im Ziel: Letzteres wird seine Aufgabe am kommenden Wochenende sein, wenn er beim wohl stärksten besetzten Trailrennen der Welt zwischen Sierre und Zinal am Start stehen wird. Mit der aktuellen Form könnten die Voraussetzungen nicht besser sein, auch international endlich mal ein Ausrufezeichen setzen zu können. Sein erklärtes Ziel: Die Top Ten und eine Zeit von unter 2:40. Sierre Zinal fungiert zu gleich als Stopp der Golden Trail World Series als auch der National Series. Auch wenn es hier doppelte Punkte gibt, wird es in dem internationalen Starterfeld für die meisten deutschsprachigen Startenden, abgesehen von den beiden Innerhofer Brüdern, wohl schwer werden, in die Punkte zu laufen. Im Gesamtranking der GTNS erwarten wir dementsprechend keine großen Verschiebungen.

Viele Athleten und Athletinnen blicken daher schon nach Mayrhofen. Dort findet Anfang September das Finale der GTNS statt. Bei den Herren scheint die Dominanz der Innerhofer Brüder sehr gefestigt. Aber wer weiß? Schließlich werden beim Finale doppelte Punkte vergeben. Bei den Damen wird es deutlich spannender, wer sich die zwei zu vergebenden Tickets für das große Finale der Golden Trail World Series in Lugano sichern kann. Zwischen den drei Gesamtwertungsführenden Leiberich, Hahn und Fässler scheint alles offen. Nach diesem engen Rennen im engen Pitztal wagen wir jedenfalls keine Prognose.

Gesamtwertung GTNS DACH (Frauen)
PlatzNameZeit
1Marion Leiberich178 Punkte
2Karin Hahn160 Punkte
3Nadja Faessler150 Punkte
Gesamtwertung GTNS DACH (Herren)
PlatzNameZeit
1Manuel Innerhofer200 Punkte
2Hans Peter Innerhofer176 Punkte
3Johannes Nussbaumer156 Punkte

Das nächste Rennen der GTNS ist schon nächstes Wochenende beim legendären Sierre Zinal. Wir sind wieder beim Finale, dem Mayrhofen Ultraks vor Ort um ausführlich zu berichten.

Weitere Eindrücke vom ZUT Wochenende lest ihr im Trailrunningwochenende kompakt.

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