Aber wie passen die Hiobsbotschaften der Kardiologen mit den vielen Versprechen über die gesundheitsfördernde Wirkung des Laufens zusammen?
Im Jahr 2017 titelte beispielsweise der Business Insider: „Wer eine Stunde joggt, verlängert sein Leben um sieben Stunden – sagen Wissenschaftler“. Genau genommen stellten die Wissenschaftler fest, dass Menschen, die regelmäßig zwei Stunden pro Woche joggen, im Schnitt 2,8 Jahre länger leben als Inaktive.
Auffällig ist dabei: Schon eine sehr moderate sportliche Betätigung zeigt eine signifikante positive Wirkung. Kann man aber diesen Effekt durch noch mehr Sport endlos steigern, so wie es die Schlagzeile im Business Insider suggeriert? Gilt beim Sport: „Viel hilft viel“? Oder trifft vielmehr der Grundsatz zu: „Die Dosis macht das Gift“?
Um diese Frage belastbar zu beantworten, reicht ein einmaliger Vergleich zweier Gruppen nicht aus. Es reicht auch nicht aus, sich nur für die Gefäßverkalkung zu interessieren. Es braucht eine sogenannte Längsschnittstudie, in der eine große Zahl an Versuchsteilnehmern über Jahre und Jahrzehnte beobachtet wird – in Bezug auf ihre sportlichen Aktivitäten, Krankheiten und Sterblichkeit.
Tatsächlich gibt es hier eine Studie: die Copenhagen City Heart Study. Seit 1976 werden in dieser groß angelegten Untersuchung über 170.000 Personen beobachtet. Eine Substudie mit über 8.000 Teilnehmenden untersuchte den Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und Gesamtsterblichkeit. Konkret wurden Personen betrachtet, die entweder bekennende Läufer oder bekennende Nicht-Läufer sind. Dabei wurde analysiert, wie sich die durchschnittliche wöchentliche Aktivitätszeit auf die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie auf die allgemeine Sterblichkeit auswirkt.
Das Ergebnis war eindeutig: Egal, ob es um kardiovaskuläre oder allgemeine Todesfälle geht, der „Sweet Spot“ für die Aktivitätszeit liegt zwischen 2,6 und 4,5 Stunden pro Woche. Wer sich länger bewegt, erzielt keinen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen – im Gegenteil, bei Aktivitätszeiten über 4,5 Stunden steigt die Sterblichkeit wieder leicht an. Diese Ergebnisse sind robust und unabhängig von Subgruppen, Untersuchungszeitpunkt oder anderen Einflussfaktoren.
Die gute Nachricht: Kein Trainingsvolumen ist so schädlich wie gar kein Training. Selbst wenn mehr Sport nicht gleichbedeutend ist mit mehr Gesundheit, ist exzessive Bewegung immer noch besser als gar keine. Der wahre Feind ist nicht der Marathon, sondern die Couch. Die Studie zeigte, dass Menschen, die mehr als 10 Stunden pro Woche trainieren, ein um 15 % höheres Sterblichkeitsrisiko haben als jene mit 2,6 bis 4,5 Stunden Training. Wer jedoch gar keinen Sport treibt, hat ein fast 50 % höheres Sterblichkeitsrisiko als die moderat aktive Gruppe.