Interview: Wie funktioniert Höhentraining für Trailrunner?

Trailrunning auf über 5000 Metern – wie soll das gehen? Diese Frage hat sich Isa in Vorbereitung auf ihre Nepal-Reise gestellt. Reicht normales Lauftraining aus, um zehn Tage Trailrunning im Himalaya zu bewältigen? Ein Besuch im Hypoxicum, Institut für Höhentraining in München, liefert Antworten.

Isa Fischer: Flavio, an eurer Wand in der Praxis sieht man unzählige Sportler auf unzähligen Gipfeln. Wer kommt zu euch in die Praxis? 

Flavio Mannhardt: Das ist ganz gemischt. Es sind vor allem Bergsteiger, Höhenwanderer, Trekkingreisende. Von Leuten, die einen 8000er besteigen wollten bis zu jemanden, der sehr empfindlich ist und schon hier in den Alpen Probleme hat. Es gibt auch Berufe, wo man schnell in hohe Höhen muss. Wir bereiten auch Mediziner vor, die Auslandseinsätze haben. Profisportler, die damit Geld verdienen, trainieren hier wie auch Hobbysportler, die das Höhentraining ausprobieren wollen und versuchen, eine neue Bestzeit bei einem Halbmarathon aufzustellen. Auch der gesundheitliche Sektor ist mittlerweile groß. 2019 gab es sogar einen Nobelpreis für die Forschung, seitdem boomt das Thema. 

Info: 2019 wurde der Medizin Nobelpreis an William G. Kaelin Jr., Sir Peter J. Ratcliffe und Gregg L. Semenza für ihre Erkenntnisse in der Hypoxie Forschung verliehen. (Hypoxie = verminderter Sauerstoffgehalt im Blut) 

Meine Annahme war, dass ich so fit wie möglich sein muss, um nicht höhenkrank zu werden. Das war mein erster Aha-Moment, denn: Das ist nicht so. 

Richtig. Man kann nicht pauschal sagen, dass fitte Menschen die Höhe automatisch gut vertragen. Vom aktuellen Forschungsstand geht man derzeit davon aus, dass Höhenverträglichkeit genetisch bedingt ist. Das ist der wichtigste Faktor, den man als erstes abklären sollte. Dafür gibt es den Höhenverträglichkeitstest. Fitness hat tatsächlich nur einen zweitrangigen Faktor. Die Tagesform, Wetter, die Luftdruckverhältnisse spielen auch eine wichtige Rolle.

Flavio Mannhardt vom Institut für Höhentraining Hypoxicum in München

Ein Höhenverträglichkeitstest ist keine Leistungsdiagnostik. Was passiert da? 

Beim Höhenverträglichkeitstest wird der Leistungsfaktor absichtlich ausgeklammert. Der erste Teil findet im Sitzen statt und schickt den Probanden auf 4000 Meter Höhe. Die akute Reaktion auf die Höhe wird im Anschluss kontrolliert, man schaut sich die Sauerstoffsättigung, die Herzfrequenz und den Blutdruck an. Danach gibt es einen Test in Bewegung auf dem Laufband in der Höhenkammer. Da kontrolliert man erneut die akute Reaktion des Körpers unter einer sehr geringen Belastung. Einen Leistungstest kann man extra machen. 

In welcher Höhe beginnt das sogenannte Höhentraining? 

Das ist relativ individuell. Für Ausdauersportler sind es circa 1800 bis 3000 Meter. In diesem Bereich trainieren die Profis im Höhentrainingslager. Unsere Höhenkammern sind auf 2500 Meter eingestellt, sie können bis 6000 Meter hochgefahren werden. Es gibt Leute, die empfindlicher sind und schon auf 1000m, 1200m schon unangenehme Symptome spüren. Die magische Grenze liegt bei 4000 Metern. Die Universität Innsbruck hat erforscht, dass ab 4000 Metern Höhe jeder Zweite akut höhenkrank wird, wenn er nicht ausreichend akklimatisiert ist. 

Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich vor einer Reise mit dem Höhentraining zu beschäftigen? 

So bald wie möglich. Den Höhenverträglichkeitstest kann man jederzeit machen. Mit dem Test können wir die genetische Veranlagung kontrollieren. Wenn ich die kenne, wissen wir, wie der Körper von Person X auf die Höhe reagiert. Dann schauen wir gemeinsam, ob eine Vor-Akklimatisierung Sinn macht. Es gibt Menschen, die mit der Höhe so gut zurechtkommen, dass sie das nicht brauchen. Bei anderen ist es sinnvoll. Im nächsten Schritt wird ein individueller Plan für die Vorbereitung erstellt.

Foto vom Trail Verbier St Bernard by UTMB. Foto: UTMB

Welches Training ist am effektivsten? 

Im Endeffekt zählt die Zeit, die ich in der Höhe verbringe. Ich gebe immer die Empfehlung, sich in einer Hütte einzuquartieren, wenn es die Möglichkeit gibt. Im Winter ist es natürlich schwieriger. Das ist immer die bessere Wahl, als in die Höhenkammer zu gehen oder mit einem Höhengenerator im Höhenzelt zu trainieren. Eins muss man sich bewusst sein: Wenn man sich akklimatisieren möchte, muss man viel Zeit investieren. Es gibt drei Akklimatisierungs-Methoden: Eines ist die “Sleep high Methode”. Man schläft zuhause in einem Höhenzelt und versucht, die Höhe Stück für Stück zu steigern. Das ist effektiver als die aktive Methode. Dort wird in der Höhenkammer trainiert, da kann man eine Höhe bis zu 6000 Meter simulieren und auf dem Laufband, dem Stairmaster oder dem Fahrrad trainieren. Sechs bis acht Stunden im Zelt zu schlafen bringt mehr als eine Stunde in der Kammer auf dem Laufband zu trainieren. Die dritte Möglichkeit ist das passive Akklimatisieren. Da bekommt man eine Maske, die mit dem Höhengenerator verbunden ist. Da kann man sich entspannt vor den Fernseher setzen und Netflix schauen. 

Ich bin in der Höhe und mir geht es schlecht. Wie gefährlich können solche Situationen sein? 

Akute Höhenkrankheit oder “acute mountain sickness” ist erstmal nicht gefährlich, aber ein Warnsignal für den Körper. Bei jedem Menschen kann sich das anders äußern. Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit, Durchfall, koordinative Einschränkungen, Probleme mit der Sicht usw… Wenn man eines dieser Symptome spürt, sollte man mit Hilfe eines Pulsoximeters die Sauerstoffsättigung messen. Werte über 80% sind vollkommen in Ordnung. Wenn die Sättigung unter 80%-75% fällt, sollte man aufpassen und eine Pause machen. Wenn sich der Wert nicht stabilisiert, sollte man dringend absteigen. Sonst kann es zu einem sogenannten Höhen-Ödem kommen, das sind Wassereinlagerungen in der Lunge oder im Hirn, die lebensbedrohlich sein können. Man sollte mit Respekt an die Sache rangehen, nicht mit Panik. Im besten Fall bereitet man sich gut vor und hält sich an die vier Säulen. 

Das Höhentrainingszelt unserer Autorin Isa

Die da wären? 

  1. Die (Vor)Akklimatisierung: Spätestens, wenn es über 4000m geht, sollte man sich damit beschäftigen. 
  2. Eine solide Grundfitness: Eine gute Ausdauerleistungsfähigkeit hilft, Sauerstoff-effizienter unterwegs zu sein, da in der Höhe weniger Sauerstoff zur Verfügung steht. 
  3. Die Aufstiegsgeschwindigkeit: Das ist teilweise schwierig selbst zu beeinflussen. Viele buchen eine Reise, wo der Veranstalter das Höhenprofil vorgibt. Teilweise wird nicht darauf geachtet, wie viel Akklimatisierung vor Ort stattfindet. Wenn man es selbst plant, gilt die Faustformel: 500 Höhenmeter pro Tag oder 1000 Höhenmeter pro Woche.
  4. Viel trinken: Das haben viele Leute nicht auf dem Schirm. Die Höhenluft hat eine theoretische Wirkung: Wir müssen häufiger auf Toilette gehen und verlieren dadurch mehr Flüssigkeit, vor allem auch durch die Atmung, weil Höhenluft trockener ist. 

Oft hört man von der sogenannten Todeszone. Wann fängt die eigentlich an? 

Viele Kunden von uns gehen davon aus, dass die Todeszone bei 7000 Meter beginnt. Wissenschaftlich gesehen startet sie aber schon viel weiter unten, bei 5500 Metern. Todeszone klingt immer gefährlich und spektakulär. Man kann sich das so vorstellen: Ein menschlicher Körper ist über 5500 Meter langfristig nicht überlebensfähig. Man spricht von ungefähr zwei Wochen, ohne extra Sauerstoff. Spektakulärer wird es ab 7000 Metern. Da liegt der Durchschnitt bei 48 Stunden ohne externen Sauerstoff. Deswegen ist es in vielen Köpfen als “Todeszone” verankert.

Das Institut für Höhentraining Hypoxicum in München bietet eine professionelle Betreuung durch qualifizierte Sportwissenschaftler, speziell zugeschnittene Trainingsangebote sowie verschiedene Test- und Diagnostikverfahren.

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