Warum Francesco Puppi mein Lieblingstrailrunner ist

Kein Bock zu lesen? Lass dir diesen Artikel einfach vorlesen. Jetzt Mitglied werden und Vorlesefunktion freischalten.
In der Serie „Unsere Lieblingstrailrunner“ stellt ein Alles Laufbar-Teammitglied eine Persönlichkeit aus unserem Sport vor, die ihn oder sie im besonderen Maße begeistert. Dieses Mal schreibt Chris Zehetleitner über Francesco Puppi.

Im Trailrunning, wo das schnelle Wachstum und die ehrgeizige Jagd nach Rekorden die Persönlichkeit der Athletinnen und Athleten oft in den Hintergrund drängen, bleibt der Mensch hinter den Leistungen oft verborgen. Nicht so bei Francesco Puppi. Der italienische Berg- und Ultratrailläufer hat sich nicht nur durch seine Erfolge einen Namen gemacht, sondern auch durch seine authentische, nachdenkliche Art und seine außergewöhnliche Offenheit. Bei ihm finde ich alles, was diesen Sport für mich ausmacht.

Francesco wer?

Zum ersten Mal hörte ich von Francesco Puppi im Jahr 2021, als mich mein Freund und Dokumentarfilmer Stephan Wieser fragte, ob ich bei einem Porträt über dieses junge Ausnahmetalent mitwirken wolle. Obwohl das Projekt nie realisiert wurde, verfolge ich seither seine beeindruckende Karriere und werde immer wieder aufs Neue von ihm überrascht.

Vor wenigen Tagen hat der 32-Jährige für Aufsehen gesorgt, als er auf Instagram seinen Abschied von seinem Hauptsponsor Nike verkündete. Ein Grund für seine Entscheidung sei eine Werbung des Großkonzerns gewesen, deren Botschaft ihm zutiefst missfallen habe. Selten hört man so offene Worte. Aber für Francesco Puppi ist das typisch.

Francesco Puppi im Ziel des New York Marathons. Foto: instagram.com/francesco.puppi (Foto Aufmacher: francescopuppi.it)

Der Aufstieg eines Ausnahmeläufers

Francesco Puppi begann seine sportliche Laufbahn 2011 in Italien und etablierte sich schnell als eines der vielversprechendsten Talente im Berglauf und Skyrunning. In den letzten Jahren hat der studierte Physiker sich zu einem vielseitigen und beständigen Läufer auf den großen Trailrunning-Bühnen und bei Ultradistanzen bis zu 50 Meilen entwickelt. Vor allem bei der prestigeträchtigen Golden Trail World Series und den World Trail Running Championships überzeugte Puppi immer wieder mit herausragenden Leistungen. Doch nicht nur auf den Trails ist er ein beeindruckender Läufer: Ein Marathon in 2:16 Stunden und eine 10-Kilometer-Zeit unter 30 Minuten beweisen seine außergewöhnliche Vielseitigkeit und sein großes Talent.

Ein besonderer Ort: Sierre-Zinal

Der besondere Charakter von Francesco Puppi ist mir aber vor allem bei Sierre-Zinal aufgefallen. Dieses Rennen scheint für ihn eine unglaubliche Bedeutung zu haben. Jahr für Jahr kehrt er zu diesem traditionsreichen Berglauf zurück, um sich dort mit den Besten der Welt zu messen. Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – ein Sieg unerreichbar scheint, ist Sierre-Zinal für ihn eine Art Prüfstein. Ein Ort, an dem er immer wieder testet, was er noch aus sich herausholen kann. Puppi tut dies mit großer Demut gegenüber dem Rennen, aber auch gegenüber seinen Konkurrenten. „Ich gebe einfach, was ich kann, ich bin einfach, wer ich bin. (…) Es ist ein Privileg, Teil des heutigen Wettkampfs zu sein“, schreibt er im August 2024 im Vorfeld des Rennens.

Francesco Puppi beim OCC 2024. Foto: UTMB

Klare Positionen und offener Umgang mit mentaler Gesundheit

Ein weiterer Grund, warum Francesco Puppi mein Lieblingstrailrunner ist, ist sein Engagement außerhalb der Wettkämpfe. Wenn ihm Entwicklungen im Laufsport missfallen – wie die Kommerzialisierung des UTMB oder der Golden Trail World Series (GTWS), oder den Umgang mit Sponsoring-Verträgen – spricht er sie offen an.

Ein Beispiel gefällig? Zur GTWS sagt Puppi folgendes: „Nachdem ich mir die Strecke des Finales der Golden Trail Series letzte Woche angesehen habe, habe ich das Gefühl, dass sie nicht meiner Vorstellung von einer schönen, logischen Strecke entspricht, auf der ich Spaß haben kann und die gleichzeitig sicher ist. Ich denke, solange die Richtung der GTWS weiterhin die Spektakularisierung des Sports und das Renndrama in den Vordergrund stellt, das scheinbar großartige Memes und virale Videos hervorbringt, aber ohne wirklich auf die Athleten zu hören und zu berücksichtigen, was die Essenz unseres Sports ist, werde ich nicht sehr motiviert sein, meinen Namen auf die Startliste zu schreiben.“

Er sagt klar seine Meinung und bezieht mutig Stellung, auch auf die Gefahr hin, Sponsoren und Rennveranstalter zu verärgern. Eine Eigenschaft, die ihm in der zunehmend professionalisierten Sportwelt eine seltene Authentizität verleiht. Etwas, das ich bei vielen anderen hauptberuflichen Läuferinnen und Läufern oft vermisse.

Auch die Zusammenarbeit des UTMB mit dem Autokonzern Dacia hat Puppi öffentlich kritisiert: „Ich habe gemischte Gefühle bezüglich der Partnerschaft von Dacia mit dem UTMB (…) Ich finde es entmutigend, dass Dacia, ein Unternehmen, das hauptsächlich kleine Geländewagen herstellt, von dem Missverständnis profitiert, dass viele Verbraucher Outdoor-Sportarten mit Umweltbewusstsein in Verbindung bringen und dadurch das „grüne“ Image ihrer Marke verbessern.“ Ein mutiges Vorgehen eines Athleten, dessen Karriereverlauf auch von UTMB-Veranstaltungen abhängt.

" Ich hatte schon immer Probleme mit dem Selbstwertgefühl und dem Selbstvertrauen. "

Francesco Puppi

Besonders beeindruckend ist aber sein offener Umgang mit dem Thema mentale Gesundheit. In einer Welt, in der Profisportler oft als grenzenlos belastbar und übermenschlich dargestellt werden, spricht Puppi offen über die Bedeutung des seelischen Wohlbefindens. Er teilt seinen Kampf mit sich selbst, seine Zweifel und den Druck, dem er als Sportler ausgesetzt ist, und ermutigt andere, auf sich selbst zu achten und auf ihre Grenzen zu hören. Puppi schafft so einen Raum für Selbstfürsorge und zeigt, dass Achtsamkeit und Höchstleistung sich nicht ausschließen müssen. Im Sommer 2023 schreibt er dazu folgendes auf seinem Instagram-Profil:

„Ich hatte schon immer Probleme mit dem Selbstwertgefühl und dem Selbstvertrauen. Das Gefühl, nie genug zu sein oder nichts wert zu sein, abgesehen von dem, was deine Zeiten oder Ergebnisse aussagen, oder abgesehen von dem, was du dir einbildest, was die Meinung der anderen über dich ist. Gehöre ich hierher? Habe ich das Zeug dazu? Warum sollte mich das interessieren, wenn es niemanden interessiert? Das ist ein nicht zu vernachlässigendes Risiko für alle Athleten, die ihre Identität leicht sehr eng an den Sport binden, den sie ausüben, insbesondere bei einer Tätigkeit wie dem Langstreckenlauf, der so ziemlich jeden Aspekt des Lebens umfasst.“

Francesco Puppi im Ziel des OCC 2024. Foto: UTMB

Fazit: Deshalb ist Francesco Puppi mein Lieblingstrailrunner

Francesco Puppi verkörpert für mich alles, was Trailrunning ausmacht: Leidenschaft, Bescheidenheit, Authentizität und eine tiefe Verbundenheit zur Natur und zu sich selbst. Er ist ein Läufer, der sich nicht nur über Siege und Erfolge definiert, sondern auch den Mut hat, eigene Schwächen einzugestehen und auf Missstände hinzuweisen.

UTFS: Nachwuchsförderung beim Youth Trail

Wanderer nimmt an Ultras teil, läuft keinen Schritt und ist schneller als die meisten Läufer