Der laufende Teil der Gesellschaft ist nicht allein damit, gute Vorsätze zu formulieren. Das zeigt ein ZDF-Post zu einer aktuellen Umfrage: Platz drei der häufigsten Vorsätze mit 39 Prozent belegt der Klassiker “Mehr Sport treiben”, zum Beispiel in Form von Trailrunning.
Der sogenannte Service-Journalismus nimmt dieses Bedürfnis, Vorsätze in die Tat umzusetzen, auf und liefert Artikel zu Motivationstipps oder Zeitmanagement-Empfehlungen. Betitelt mit “Wie Sie lernen, willensstärker zu sein” oder “Wie man den inneren Schweinehund bezwingt” suggerieren die Beiträge vor allem Eines: Du, liebe Adressatin, lieber Adressat, bist faul. Wenn Du Dich ein bisschen mehr disziplinieren würdest, dann schaffst Du es täglich auf die Trails. Denn: Das ist alles eine Frage der Eigenmotivation und des optimierten Zeitmanagements. Das glaubst Du nicht? Dann lies folgenden Spiegel-Beitrag zur Untermauerung Deiner Unfähigkeit, zumindest drei Mal in der Woche die Trailrunningstöcke auszuziehen:
“(Ex-) Bahn-Chef Rüdiger Grube sagte in einem Achilles-Interview, dass er mindestens zehn Kilometer laufe – täglich. Top-Manager wie er haben schon mal eine 80-Stunden-Woche.” Keine Zeit zum Joggen? Das sei der “Entschuldigungsklassiker” schlechthin, eine faule Ausrede von “Sportmuffeln”. Wenn selbst Top-Manager wie Grube das tägliche Laufen neben einer mit Überstunden prall gefüllten Arbeitswoche schaffen, dann sollte der “nur” Vollzeitarbeitende seinen Vorsatz “Mehr Sport treiben” ja wohl mit links umsetzen können. Einen anderen als diesen scheinbar logischen Rückschluss ließe sich von der aufmerksamen Leserschaft kaum ziehen und schwups, findet sie sich bei der Lektüre von “Wie Sie lernen, willensstärker zu sein” wieder.
Ein Blick in die eigene Instagram-Lauf-Bubble bringt das bereits strauchelnde Selbstbewusstsein endgültig zu Fall: Laufende “Motivationsinfluencer” verhashtaggen Vorwürfe wie No Excuses oder den imperativen Werbespruch Just Do It – natürlich unter einem Video, das kraftvolles Uphillsprinten, leichtfüßig in der Ausführung, demonstriert. Jede und jeder habe 24 Stunden täglich – Die Zeit sei ja da, man müsse sie sich nur nehmen (eben so, wie Grube es tue). Ist das wirklich so?