Die werbefreie Pionierin: Warum Jasmin Paris meine Lieblingstrailläuferin ist

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In der Serie „Unsere Lieblingstrailrunner“ stellt ein Alles Laufbar-Teammitglied eine Persönlichkeit aus unserem Sport vor, die ihn oder sie im besonderen Maße begeistert. Dieses Mal schreibt Juliane über Jasmin Paris.

Das ist doch nichts für Mädchen„, dämmte man meine Euphorie ein, als ich entschied mit Anfang 20 meinen ersten 100 km-Ultratrail zu laufen. Ich war mir nicht sicher, ob das was für mich war, denn: Viele weibliche Vorbilder gab es 2012 noch nicht. Zehn Jahre später, ich war inzwischen mehrfache Ultratrailfinisherin, hörte ich neue Ressentiments: Das mit dem Laufen sei ja nun vorbei, jetzt, wo ich schwanger und bald Mutter sei. „Quatsch„, konnte ich dieses Mal entgegnen, „kennt ihr etwa Jasmin Paris nicht?“ Jasmin wer?

Man muss es sehen, um zu glauben, dass es möglich ist“, sagt Dr. Jasmin Paris THE STANDARD gegenüber als sie 2024 eine der höchsten Auszeichnungen des Britischen Königsreichs, ein MBE, erhält. In Deutschland entspräche diese Honorierung wohl der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Der MBE-Award würdigt ihre außerordentlichen Leistungen und Dienste für die Gemeinschaft auf dem Gebiet des Berg- und Langstreckenlaufs, die herausragend wie nachhaltig sind und anderen als Beispiel dienen. Ein Vorbild also! Wie hat die 41-jährige Tierärztin und zweifache Mutter aus dem schottischen Edinburgh das geschafft?

Jasmin Paris beim Spine Race 2019, das sie sensationell mit Streckenrekord gewinnen konnte. Overall. Vor allen Männern. Foto: Montana Spine Race/Harsharn Gill, Aufmacherfoto: Howie Stern (instagram.com/searchingforzocherman)

2024 finisht sie als erste Frau die berühmtberüchtigten Barkley Marathons und zwar filmreif 99 Sekunden vor dem Cutoff von 60 Stunden. Erst 19 Menschen (Männer) haben das Event seit seiner Premiere 1986 vor ihr beenden können. Die Bilder, wie sie halbtot über dem Finishtor hängt und sich ein Speichelfaden aus ihrem Mund löst, gehen um die Welt. The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, taz, WELT, British VOGUE, Outside Magazine – internationale wie nationale Mainstream Medien berichten über das trail-historische Ereignis.

Paris erlangt Bekanntheit und mit ihr unser Sport. Ihre Leistung ist schon per se bewundernswert, noch stärker fand ich im Nachgang ihre Stellungnahmen: „Schon damals hatte ich das Gefühl, ich hätte es für die Frauen auf der ganzen Welt getan“, wird sie von INDEPENDENT zitiert. Weiter meint sie, dass weibliche Vorbilder und eine gleichberechtigte Medienpräsenz entscheidend dazu beitragen würden, Mädchen zum Sport zu ermutigen. Als Mutter einer lauffreudigen Tochter kann ich nur sagen: Danke dafür, Lieblingstrailrunnerin Jasmin.

" Ich wünschte, es gäbe ein Bilderbuch von ihr, das ich meiner Tochter zeigen könnte. Später werde ich jedenfalls ihre Heldinnengeschichten erzählen. "

Ich lernte sie 2019 kennen als ein anderes Bild von ihr viral ging. Paris beim 431 km Spine Race auf Großbritanniens abgelegensten Trails, wo sie nicht nur erste Frau wurde, sondern auch vor dem ersten Mann einlief und dabei den Streckenrekord zerschmetterte, in dem sie dem männlichen Rekordhalter über zwölf Stunden abnahm. Das ikonische Bild entstand allerdings nicht im Ziel, sondern während des Rennens an einer VP. Sie sitzt dort oberkörperfrei, stillt mit einer Brust ihr kleines Kind und pumpt die andere Brust mit einer Milchpumpe ab, während links neben ihr ein anderer Läufer rücklings ruht. Jeder Stillvorgang verbraucht um die 500 Kalorien. Beim Aufschreiben dieser Leistung komme ich schon wieder nicht aus dem Staunen heraus. Unglaublich!

Jasmin Paris steht für die Werte der Green Runners ein, dessen Mitgründerin sie ist. Foto: thegreenrunners.com

Die bemerkenswerten Rekorde und die Tatsache, dass sie Trailgeschichte geschrieben hat, bilden aber nicht den Gipfel meiner Bewunderung für Paris. Es sind Aufschläge in der sogenannten B-Note. Zum Beispiel propagiert sie Werte wie ökologisches Laufen, und zwar nicht nur in Form von Hashtags, nein, durch nachhaltiges Verhalten: Sie repariert ihr Laufequipment. Ihren Rekord bei den Barkley Marathons stellte sie mit geflickten Schuhen auf und ihr Laufrucksack war bereits acht Jahre alt! Bitte was? Das hat mich vollends vom Hocker gehauen.

Aber es geht noch weiter. Paris ist Mitgründerin der Green Runners, einer Bewegung, die sich auf die Fahnen geschrieben haben: Laufen ohne Fußabdruck. Gemeint ist damit der CO2-Fußabdruck. Zusammen mit anderen Größen aus der Szene wie Damian Hall informiert sie über Umweltschutz im Rahmen unseres liebsten Sports. Neben der Aufstellung von Rekorden arbeitet sie an der University of Edingburgh und lehnt ein Athletinnen-Sponsoring ab, was nicht nur eine erneut nachhaltige Entscheidung ist, sondern ihr darüber hinaus Unabhängigkeit verschafft. Toll!

Ich könnte ewig zu ihrer Person recherchieren und würde vermutlich auf noch zig weitere Heldinnen-Vorkommnisse stoßen. Aber schon mit diesen hier vermerkten Aktionen ist Jasmin Paris meine liebste Ultratrailläuferin und vielleicht das Vorbild, das dazu beigetragen hat, dass auch ich mich um die Teilnahme beim männerdominierten Rennen der 330 km langen Tor des Géants bewerben werde. Ich wünschte, es gäbe ein Bilderbuch von ihr, das ich meiner Tochter zeigen könnte. Später werde ich jedenfalls ihre Heldinnengeschichten erzählen. Danke, Jasmin!

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