„Wir können Berg“: Trailrunning-Newcomer LOWA zwischen Tradition und Innovation

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Die Marke LOWA blickt auf eine lange Geschichte zurück. Im Trailrunning sind sie allerdings die Neuen. Was treibt das Traditionsunternehmen an, das seit über 100 Jahren Wanderschuhe fertigt und jetzt die Trailrunning-Welt erobern möchte? Ein Werksbesuch.

In LOWAs Produktionshallen im oberbayerischen Jetzendorf wimmelt es vor Leben. Das rhythmische Dröhnen von Maschinen, die Leder zuschneiden und Sohlen formen, hallt durch die weiten Hallen – ein mechanisches Konzert aus dumpfen Schlägen und lautem Rattern, unterlegt von dem charakteristischen Geräusch der Nähmaschinen, die unermüdlich nähen, verbinden und gestalten. Der erdige Duft von frischem Leder, durchbrochen von dem intensiven, süßlichen Aroma von Klebstoff, erfüllt die Luft.

Mein Kollege Benni und ich sind zu Gast bei LOWA. Wir wollen herausfinden, wie das deutsche Traditionsunternehmen funktioniert und was LOWAs Ideen und Pläne für das Trailrunning sind. Kurz: Wir wollen wissen, wie LOWA so tickt. Dafür treffen wir uns an einem sonnigen Märztag mit David Knan (PR Koordinator) und Veronika Leikam (Marketing-Koordinatorin für Trailrunning) in Jetzendorf, dort, wo das Unternehmen seit 1923 Schuhe fertigt. David und Veronika arbeiten beide seit Jahren für den bayerischen Schuhhersteller – wie viele der rund 300 Angestellten hier. Nicht wenige Erwerbsbiografien beginnen und enden in der Hauptstraße 19 im beschaulichen Jetzendorf. Kein Wunder, denn LOWA ist seit Generationen einer der größten Arbeitgeber der Region. Auf einem gelben Ortsschild, das auf dem Parkplatz des Werksgeländes angebracht ist, steht deshalb treffenderweise „LOWA City“.

Jetzendorf, im Ort auch bekannt als "Lowa City".

Vorsicht, ab hier ist Fotografieren verboten

LOWA ist bekannt für seine Wander- und Bergschuhe. Doch seit 2023 ist auch Trailrunning ein fester Bestandteil der Marke. Vor zwei Jahren wurde das Produktportfolio nämlich durch drei Trailrunningschuhe namens Citux, Amplux und Fortux ergänzt. Was hat den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben, wollen wir wissen. „Uns war es wichtig, für alle Bewegungsarten am Berg einen Schuh anzubieten. Egal, ob jemand langsam oder schnell, kurz oder weit, niedrig oder hoch unterwegs sein will. LOWA deckt seit dem Launch der Trailrunning-Serie alles ab“, erklärt uns David Knan. Dank der über Jahrzehnte gewonnenen Outdoor-Expertise habe man das Selbstbewusstsein gehabt, diesen Schritt in Richtung Trailrunning zu gehen. „Wir können Berg“, bringt er es auf eine Formel.

Die Herstellung der Trailrunning-Modelle werden wir heute nicht sehen können. Zwar findet die Produktentwicklung vollständig in Jetzendorf statt, die Herstellung ist allerdings ins Ausland ausgelagert, da die Produktion dämpfender Laufschuhschäume bis dato nur in Asien möglich ist. Ganz im Gegensatz zu den festen und rigiden Sohlen der Wanderschuhe.

Es ist ein betriebsamer Arbeitstag am Hauptstandort von LOWA. Menschen gehen eilig von A nach B. Für ein freundliches „Servus“ nimmt sich trotzdem jede und jeder Zeit. Wir gehen durch weitläufige Gänge und sehen Regale voller Materialien, Stoffe und Kisten. Dann stehen wir plötzlich vor einer verschlossenen Tür. Auf ihr steht der Hinweis: „In diesen Räumen ist Fotografieren verboten.“ Was kann sich dahinter verbergen? Hinter der geheimnisvollen Tür liegt ein Raum, der auf den ersten Blick wie eine Mischung aus High-Tech-Labor und Werkunterrichtsraum einer durchschnittlichen deutschen Bildungseinrichtung aussieht. Oder in anderen Worten: Wie der Wirklichkeit gewordene Traum eines jeden Ingenieurs.

David und Veronika erklären uns nicht ohne Stolz, wofür die vielen nebeneinanderstehenden Apparaturen da sind. Eine Maschine ist beispielsweise dafür vorgesehen, die Langlebigkeit eines Obermaterials zu überprüfen. Dafür wird der Schuh tausendfach gebogen und gestreckt, so lange, bis ein Riss im Material entsteht – oder eben nicht. Eine andere Vorrichtung testet den Grip der Außensohle. Eine weitere Station kontrolliert die Wasserdurchlässigkeit eines Schuhs. Jede Anlage ist ein wertvolles Unikat. Mit ihrer Hilfe werden Prototypen neuer Schuhmodelle getestet, die sich noch in der Entwicklung befinden; deshalb das Fotografierverbot. In gewisser Weise befinden wir uns hier im Kopf oder in der Denkzentrale des Standorts. Nur was sich hier bewährt und den hohen Qualitätsansprüchen genügt, wird die nächste Produktionsphase erreichen.

Zwischen Handarbeit und Digitalisierung

Es ist verblüffend zu sehen, wie viel Handarbeit im modernen Schuhhandwerk dann doch noch steckt – das in Zeiten der Automatisierung und Digitalisierung. Es ist die Gleichzeitigkeit, die fasziniert: Neben Schere, Cuttermesser, Zange und Hammer steht ein Bildschirm, mit dem ein Laser-3D-Drucker gesteuert wird. In Jetzendorf wird die Verbindung zwischen Tradition und Innovation greifbar. Benötigt es beides, um ein hochwertiges und zeitgemäßes Produkt herzustellen? Klassische Handwerkskunst und digitaler Pioniergeist?

Die sich verändernde Geräuschkulisse verrät, dass wir uns auf unserer Werkstour dem Herzstück des Standorts nähern, dem Maschinenraum. Hier entfaltet sich die eingangs beschriebene symphonische Vielfalt an Geräuschen, die das Wesen industrieller Arbeit widerspiegelt: das Summen von Elektromotoren, das rhythmische Klopfen von Stanzmaschinen und das taktvolle Zischen von hydraulischen Pressen. Die Hände der Angestellten kümmern sich mit Präzision um jedes der rund 1500 Paar Schuhe, die LOWA hier täglich herstellt. Auf einer großen Anzeigetafel, die mittig an der Decke im Raum angebracht ist, wird in Echtzeit die Zahl der heute bereits gefertigten Schuhe angezeigt. Die Anzeige springt von 678 auf 679.

Es herrscht ein geordnetes Durcheinander, ähnlich dem Innenleben eines Ameisenhaufens. In der großen Werkshalle, deren Boden in poliertem Grasgrün leuchtet, weiß jeder, was zu tun ist. Jeder Schritt und jeder Griff erfüllt einen übergeordneten Zweck. Wir bewegen uns zwischen den Maschinen und den Reihen von halbfertigen Schuhen und deren Leisten – der Plastikfuß, der als Grundlage für die Passform eines Schuhs in der Produktion dient. Die Schuhproduktion ist kleinteilig. Schätzungsweise 50 Stationen durchläuft ein Schuh, bis er am Ende der Produktionslinie ankommt, dort, wo schließlich ein Dutzend Arbeiterinnen in beeindruckender Geschwindigkeit Schnürsenkel einfädeln (ja, von Hand!), bevor das Schuhpaar zum Schluss im Karton landet und ins Warenlager überstellt wird.

Das Beobachten der Arbeitsprozesse beeindruckt. Das Wissen um die Zeit und die Arbeitsleistung, die in einen LOWA-Schuh fließt, steigert die Wertschätzung für das Endprodukt – und vielleicht auch die Fähigkeit, als Kunde das Zustandekommen des Preises einordnen zu können.

Einblick in die Schuhfertigung von Lowa. Foto: Kerstin Rysavy

Dort sein, wo die Community ist

David und Veronika steigen in einen E-Bulli mit LOWA-Aufdruck. Wir folgen ihnen ins benachbarte Petershausen, wo das Unternehmen moderne Büroflächen und einen Showroom besitzt. Bei Kaffee und bayerischer Butterbrezn sitzen wir an einem großen Konferenztisch und reden über Trailrunning – und die Rolle, die LOWA im Sport spielen möchte. Ulf Michels, Head of Marketing, stößt dazu. Er ist leidenschaftlicher Mountainbiker und hat vorher bei einer Mountainbike-Brand gearbeitet. Er sieht die Parallelen zwischen Mountainbiking und Trailrunning: „Beides hat einen Eventcharakter. Man übt den Sport gemeinsam aus, ob bei einem Rennen oder privat organisiert. Es gibt Communityrides und Communityruns. Auch vom Style her, die Klamotten und die Caps. Das ist etwas ganz anderes als Wandern, das in der Regel im kleinen persönlichen Rahmen, oft auch alleine, stattfindet.“ Der vollzogene Schritt vom leichten Multifunktionswander- zum Trailrunningschuh soll perspektivisch zu einer erwünschten Verjüngung der Marke LOWA beitragen, fügt Ulf hinzu.

Das macht LOWA nicht ausschließlich durch Trailrunning-Produkte, sondern auch durch Event- und Athletensponsoring. Bei letzterem setzt man besonders auf in der lokalen Community vernetzte Trailrunner. „LOWA ist als Marke im Vergleich zu anderen eher nahbar. Das wünschen wir uns von unseren Athleten auch. Dann denken Freunde aus der Laufcommunity eher mal: Ach, der trägt den LOWA-Schuh. Das probiere ich auch mal.“ Gleichzeitig beobachtet er die Fokussierung vieler Marken auf den Alpenraum, wobei sie bei LOWA den Eindruck gewonnen haben, dass die allermeisten Deutschen im Mittelgebirge oder gar im Flachen Trailrunning betreiben. Deshalb setzte LOWA ganz bewusst auf Event-Sponsorings wie den Ultratrail Fränkische Schweiz, um der Community dort zu begegnen, wo sie lebt und läuft, fasst Ulf eine der Marketing-Überlegungen zusammen.

Schuhtest des LOWA Amplux 2

Aus der Fabrik in die Natur

Mein Kollege Benni und ich wollen uns direkt vom neuen Modell Amplux 2 überzeugen. Vom Parkplatz sind es nur wenige Minuten in ein wunderschönes Waldgebiet. Wir laufen und reden über das eben Erlebte. Anstatt Maschinenlärm hören wir unsere Schritte auf dem Trail. Es riecht nicht mehr nach Leder und Klebstoff, sondern nach frischem, lebendigem Grün – harzig und mild. Es ist ein besonderes Gefühl, wenn ein Trailschuh zum ersten Mal in sein eigentliches Element, in die Umgebung, für die er geschaffen wurde, ausgeführt wird. Wir versuchen, den Amplux 2 zu lesen, ihn zu entschlüsseln, ihn vor unserem geistigen Auge in seine Einzelteile zu zerlegen, so wie wir es bei LOWA im Werk gesehen haben. Nach einer Viertelstunde lassen wir das Fachgesimple sein und laufen einfach. Über Schotterstraßen, Wurzeltrails und Wiesen – feinstes All Terrain Running, nur einen Steinwurf entfernt von Jetzendorf. Oder wie sie es hier nennen: LOWA City.

Benni und Christian vor dem Eingang des LOWA-Geländes in Jetzendorf.

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