(K)eine gute Aussicht? Wie der Klimawandel Trailrunning verändern wird

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Die Folgen des Klimawandels sind überall spürbar. Welche Auswirkungen haben die sich ändernden klimatischen Bedingungen auf das Trailrunning? Mit welchen Konsequenzen oder Verhaltensanpassungen muss in Zukunft gerechnet werden?

Ist das schon Klimawandel oder ist das noch Wetter? Diese Frage scheint den aktuellen Zeitgeist am treffsichersten auf den Punkt zu bringen. Immer öfter wird man sagen müssen: Es ist der Klimawandel. Die Folgen sind bereits erlebbar, auch in Mitteleuropa und in Deutschland. Trailrunner spüren diese Veränderungen hautnah, denn Trailrunning ist bekanntlich ein Freiluftsport. Hier gibt es kein Stadiondach, das geschlossen, keine Klimaanlage, die die Temperatur regulieren könnte.

Der Sportplatz der Trailrunner ist die Natur. Kommt es in der Natur zu Veränderungen, hat das zwangsläufig Auswirkungen auf unseren Sport. Welche das sein könnten, haben wir Dr. Inga Beck gefragt. Sie ist als Wissenschaftlerin im Bereich der Klimafolgenforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) tätig. Sie hat lange Zeit für die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf der Zugspitze gearbeitet und ist Expertin für die Folgen des Klimawandels, speziell im Alpenraum.

Trailrunning ist ebenfalls eine große Leidenschaft der studierten und promovierten Geographin, weshalb ihr das Thema ganz besonders am Herzen liegt. In ihrer Freizeit laufe sie die Berge vor ihrer Haustür rauf und runter, erzählt sie, auch wenn die zur Verfügung stehende Zeit für ihr Lieblingshobby, bei einer Familie mit fünf Kindern, begrenzt sei.

Klimafolgeforscherin Dr. Inga Beck. Foto: privat // Aufmacherfoto: Plan B/Andi Frank beim Stubai Ultratrail 2024

Der Themenkomplex Klima, Natur, Nachhaltigkeit ist seit vielen Jahren mal mehr mal weniger präsent im Trailrunning, einer Szene, die, so könnte man annehmen, der Erhalt der Natur ein ureigenes Interesse sein müsste. Denn ohne Natur kein Trail und ohne Trail kein Trailrunning. Umso erstaunlicher ist es, dass es immer noch prominente Stimmen gibt, die Panikmache und Schwarzmalerei wittern, wenn vor den Folgen des Klimawandels gewarnt wird. Wenn beispielsweise versucht wird klimatische Veränderungen, die über lange Zeiträume festgehalten wurden, mit singulären Wetterereignissen der Vergangenheit zu relativieren, ist das schlicht und ergreifend irreführend. Wetter ist Wetter und Klima ist Klima.

" Gelassenheit ist - was unser Klima betrifft - mit Sicherheit nicht mehr angesagt. "

Dr. Inga Beck

Wohingegen Wetter ein augenblicklicher Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitraum ist, bezeichnet Klima einen mittleren Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet über einen längeren Zeitraum.

Für die Wissenschaftlerin der Uni München steht jedenfalls außer Frage, dass wir bereits mittendrin sind. Der Klimawandel ist keine Dystopie eines noch nicht angebrochenen fernen Zeitalters. Nein, der Klimawandel ist jetzt. „Es gibt genügend Daten, die klipp und klar belegen, dass sich das Klima ändern wird und auch bereits geändert hat. Gelassenheit ist – was unser Klima betrifft – mit Sicherheit nicht mehr angesagt.“

Extremwettereignisse wie heftige Unwetter werden sich künftig häufen. Foto: Plan B/Andi Frank beim Stubai Ultratrail 2024

Sie sei keine Pessimistin, im Gegenteil, sie sei eine hoffnungsvolle Person, bekräftigt die Wissenschaftlerin. Die Hoffnung dürfe jedoch nicht die Realität und die wissenschaftlichen Fakten negieren. Die Fakten besagen nun mal, dass die Klimaziele, wie sie auf nationaler und internationaler Ebene einmal festlegt wurden, kaum noch erreichbar sein werden. Werden die politischen Ziele verfehlt, hat das konkrete, möglicherweise unumkehrbare Konsequenzen.

Es scheint fast lächerlich in Anbetracht dieser Bedrohung über mögliche Auswirkungen auf eine unwichtige Freizeitbeschäftigung wie dem Trailrunning zu sprechen. Allerdings zeigt dies auch, wie allumfassend der Klimawandel sämtliche Bereiche des Öffentlichen und Privaten beeinträchtigt. Allein die Tatsache, dass wir über die Konsequenzen des Klimawandels für eine kleine Sportart wie die unsere sprechen, zeigt die Dimension dieser globalen Herausforderung, die vor nichts und niemanden Halt macht.

Die Saison verschiebt sich

Wir wollen uns auch nicht mit einem Rat zum Tragen eines Schlapphuts und zum Kauf einer guten Sonnencreme begnügen und damit suggerieren, dass es allein eine Frage der Ausrüstung sei. Es geht um Anpassung, Veränderung und ja, auch wenn niemand das Wort in den Mund nehmen möchte, vermutlich auch Verzicht.

Was wird sich verändern? Inga Beck vermutet, dass die sich ändernden klimatischen Bedingungen im Alpenraum, dazu führen könnten, dass es nicht mehr die ideale Saison für den Sport geben wird. „Die Hochsaison der Trailrunning-Wettkämpfe wird aller Voraussicht nach in der Zukunft auch die Saison sein, in der es zum einen zu extremer Hitze kommen kann, zum anderen aber auch die Unwetter stark zunehmen werden.“ Es könnte also sein, dass sich in Zukunft andere Monate besser für Trailrunning eignen werden als die Sommermonate.

Für Unwetter gerüstet? Die Überprüfung der Pflichtausrüstung beim Stubai Ultratrail 2023. Foto: Plan B/Andi Frank beim

Der Frühling sei allerdings ebenfalls schwierig. „Durch das Abschmelzen der Gletscher ist davon auszugehen, dass die Gefahr von Hochwassern in den Frühjahrsmonaten steigt und dadurch Wege und Trails überschwemmt werden“, gibt Inga Beck zu bedenken. „Das kommt daher, dass der Schnee, der bisher auf den Gletschern bis in die Sommermonate lag, bevor er auftaute und abfloss nun bereits früher abschmilzt und mit den Abflussmengen der Schneeschmelze zusammentrifft.“

Die Gefahr von Hitze, erhöhter UV-Strahlung, Unwetter, Felsstürzen, Erdrutschen und Hochwasser wird steigen. Veranstalter werden reagieren müssen oder haben schon reagiert. Wir haben beim Streckenchef des Veranstalters Plan B Event Company, Martin Hafenmair, nachgefragt, der seit Jahren unter anderem die Streckenführung und Sicherheit des Transalpine Run mitverantwortet. Martin Hafenmair findet es „erschreckend, wie die Berge in Bewegung sind und wie alles labil wird“. Hafenmair weiter: „Wir haben jetzt von sieben Etappen vier, wo die Leute auf Abschnitten einen Helm brauchen, weil das Gestein so lose ist. Das liegt am kaum noch vorhandenen Permafrost in den Höhenlagen. Das hat garantiert mit der Klimaveränderung zu tun und wird uns sicherlich langfristig beschäftigen und uns auch in gewissen Momenten massiv einschränken.“

Das Thema Permafrost macht den Klimaforschenden tatsächlich große Sorgen. Boden, der eigentlich dauerhaft kälter als 0° C gewesen ist, taut auf. Permafrost ist der Kit, der die Felsen lange Zeit zusammengehalten hat. „Wenn er taut, geht auch seine Funktion als Klebstoff verloren. Die Folge davon sind Felsstürze, Murenabgänge, Hangrutsche und Schlamm- und Steinlawinen, wie man sie in den letzten Jahren auch vermehrt beobachten kann“, gibt die laufende Klimafolgeforscherin zu bedenken. „Das bringt natürlich etliche Gefahren für Bewohner und Besucher des Alpenraums mit sich, weshalb ja auch bereits einige Wege komplett oder zu bestimmten Zeiten gesperrt worden sind.“

Ein sichtbares Zeichen der Erderwährmung: Der Schneeferner an der Zugspitze ist seit 2022 kein Gletscher mehr. Foto: European Union, Copernicus Sentinel-2 imagery

Die Rangerin im Naturpark Ammergauer Alpen Deniz Göcen bestätigt auf Nachfrage, dass Sperrungen von Trails oft vorkommen und in der Häufigkeit zunehmen. „Jeden Monat eine Handvoll“, sagt Göcen. „Nicht nur weil Wege kaputt sind, sondern auch weil der Wald regelrecht umgebaut wird. Die Forstwirtschaft passt sich auch an klimatischen Veränderungen an.“ Die Folge: Viele Wanderer und Trailrunner nehmen Umwege, weichen auf Schleichwege aus und geben sich unter Umständen in Gefahr.

Auch im benachbarten Österreich sieht es nicht besser aus: Jüngst hat der Verband Alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ) einen „Notruf aus den Alpen“ veröffentlicht. Mit der Petition will der Verband darauf aufmerksam machen, dass sich 272 hochalpine Schutzhütten und 50.000 Kilometer an Wanderwegen in einer Notlage befinden würden. Ohne die Investiion von knapp 100 Millionen Euro sei die Infrastruktur in dieser Form nicht mehr aufrehtzerhalten.

Denn auch wenn es sich subjektiv in den Alpenregionen vereinzelt kühler anfühlen mag als, sagen wir, im Rhein-Main-Gebiet, würden die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen, meint Inga Beck. „Grundsätzlich zeigen die Klimamessungen in der Alpenregion, dass sich die Temperaturen im Vergleich zu nicht-alpinen Standorten schneller verändert haben. So war der Zeitraum zwischen Mitte Januar und Mitte April 2024 laut Deutscher Wetterdienst außergewöhnlich warm im Alpenraum. Im Alpengebiet der drei DACH Länder war es im Mittel 5,1°C wärmer als im Durchschnitt der Referenzperiode 1991-2020.“

Diese Temperaturveränderungen haben viele Auswirkungen auf die Natur und damit auch auf naturnahe Sportarten wie Trailrunning. Die Vegetation ändert sich sichtbar. Ebenfalls ist der Rückgang der Alpengletscher zu nennen. „Dem südlichen Schneeferner an der Zugspitze wurde zum Beispiel bereits vor zwei Jahren der Name Gletscher aberkannt. Man spricht nun nur noch von Toteis. Das selbe wird den meisten anderen Alpengletschern früher oder später auch passieren“, weiß die Expertin der LMU.

Was daraus folgt

Trailrunner werden also nicht umhin kommen sich an die Gegebenheiten anzupassen. Das bedeutet zuallererst: Vorsicht walten lassen. Auch wenn Wetterprognosen bei den sehr kleinräumigen Wetterlagen im Alpenraum schwierig sein können, sollte immer der Wetterbericht im Auge behalten werden. Es gilt, was vorher auch schon galt: Amtlichen Warnungen sind Folge zu leisten. Eine Selbstüberschätzung kann sich selbst und andere in Gefahr bringen. Hinsichtlich der Ausrüstung sollte man immer in der Lage sein flexibel zu reagieren.

Das ist vielleicht die Konsequenz schlechthin: Flexibilität. Wenn die Reise in eine schöne Trailrunningregion oder zu einem Wettkampf aufgrund von Unwettern oder Streckenbeschädigungen geändert oder abgesagt werden muss, ist Flexibilität gefordert. Oder in anderen Worten: Es ist Wertschätzung angebracht für die Zeitfenster, die uns die sich wandelnde Natur gewährt.

Mehr Informationen gibt es hier:

  • Der Deutsche Wetterdienst bringt halbjährliche Bulletins raus, die die Situation im Alpenraum zusammenfasst
  • Auch in Österreich und der Schweiz gibt es dementsprechende Pendants
  • Für das weltweite Klima und auch die Klimaprognose (inklusive Handlungsempfehlungen) gibt es den IPCC (International Panel in Climate Change, auch Weltklimarat genannt), der umfangreiche Reports zu allen Themen und Regionen inklusive der Wahrscheinlichkeit des Eintretens bestimmter Phänomene herausgibt
  • Veröffentlichungen des Umweltministeriums (wie der Gletscherreport)
  • Daten und Veröffentlichungen des Umweltbundesamt

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