Pro und Contra: Death before DNF

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In der vergangenen UTMB-Woche gab es etliche DNFs. Vor allem von Profi-Athleten und Athletinnen. Viele mit Sicherheit alternativlos. Bei einigen aber war unter Umständen nur die Top-Platzierung außer Reichweite, ein Finish aber noch im Bereich des Möglichen. Ist diese vermeintliche „Podium oder DNF- Herangehensweise“ unehrenhaft oder gar respektlos und gehört sogar sanktioniert? Unser Autor beweist in diesem Pro und Contra eine schizophrene Geisteshaltung.

Pro

Beim UTMB an der Startlinie stehen zu dürfen ist ein Privileg. Ein Privileg, welches dank strengem Qualifikations- und Losverfahren nur wenigen Glücklichen vergönnt ist. Privilegien sind wie das Salz in der Suppe. Eine Selbstverständlichkeit, die man erst zu schätzen lernt, wenn sie durch Abwesenheit glänzt.

Im Ultralaufen ist dem Finish ein hoher Wert zugeschrieben. Wer finisht, vielleicht auch an weniger guten Tagen, beweist Ermüdungsresistenz und Kampfeswillen. Er zollt dem Sport und seinen Herausforderungen Respekt, indem er Widerstände überwindet. „Death before DNF“!

Einfach aussteigen, weil die anvisierte Podiumsplatzierung außer Reichweite gerät? Schon ans nächste Rennen denken, während die Startnummer noch am Singlet heftet? Vorneweg laufen für TV-Time und Sponsoren und ein späteres DNF einfach in Kauf nehmen? Nein, das geht gar nicht. Wer die Chance, in die Zuschauer gesäumten Straßen von Chamonix einzulaufen, nicht als Privileg wahrnimmt und nicht alles dafür gibt, dieses Ziel zu erreichen, hat den Sport Ultratrailrunning nicht verstanden.

Ein Sport, der weit mehr ist als Platz eins bis zehn. Ein Sport, der mehr ist als ein Kampf um leblose Nummern und Platzierungen. Eben nicht nur Sport, sondern eine Reise jedes einzelnen Teilnehmenden. Eine Reise mit Höhen und Tiefen, die es anzunehmen und zu respektieren gilt. Ob Profi oder Amateur. Ich überspitze: Vielleicht sollte die ITRA nicht nur hohe Punkte für besonders herausragende Leistungen vergeben, sondern auch Punkte abziehen für unnötige DNFs?

" Vielleicht sollte die ITRA nicht nur hohe Punkte für besonders herausragende Leistungen vergeben, sondern auch Punkte abziehen für unnötige DNFs? "

Benni wünscht sich mehr Finisher-Ehre. Auch bei den Profis.

Death before DNF

Beim UTMB 2024 stiegen überdurchschnittlich viele Profis vorzeitig aus. Quelle: instagram.com/trailtheworld

Contra

Endlich! Mit diesem gequirlten Heroismus-Geschwafel meines Vorredners wollte ich schon lange mal aufräumen. „Death before DNF“? Dieser Spruch zeugt nicht von Kampfeswillen und Tugend, sondern eher von Einfältigkeit und Dilettantismus. Dass Pheidippides tot umfiel, nachdem er von Marathon nach Athen lief und die Nachricht des Sieges überbracht hatte, mag ihm 2000 Jahre Ruhm beschert haben, war aber angesichts seines Ablebens doch ausgesprochen dämlich. Eine Brieftaube hätte es schließlich auch getan oder 100 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde.

Ich kann es zu hundert Prozent nachvollziehen, wenn ein Amateur, der sehr viel investiert hat, überhaupt an dieser Startlinie zu stehen, auch wirklich alles dafür gibt, die Ziellinie zu erreichen. In welcher Zeit auch immer. Ein Profi bzw. ein sehr ambitionierter Athlet hat aber ganz andere Voraussetzungen: Wirklich zufrieden macht in diesem Fall eben nur das Erreichen der persönlichen Ziele. Und die sind bei ambitionierten Athleten naturgemäß weit weg von „nur“ Finishen.

Wenn ein Rennen mal nicht so aufgeht wie vorgestellt – und wer von uns kennt das nicht? – soll man sich noch etliche Stunden weiterquälen und seinen Körper unnötigerweise schinden? Für was? Für eine Zeit oder eine Platzierung, die einen genauso unglücklich macht wie ein DNF? Das macht für einen professionellen Sportler wenig Sinn. Nein ist sogar ziemlich unprofessionell. Wer Leistung zur Maxime macht und das tut ein Profi, lässt einen gebrauchten Tag einen gebrauchten Tag sein und setzt seinen Körper nicht einer extremen Stresssituation aus, die ein gezieltes Training in den nächsten Wochen gefährdet, nur um sich eine Finishermedaille umhängen zu dürfen. Did not Finish. Mit diesen drei Wörtern ist ein Sportler genug bestraft.

" Dass Pheidippides tot umfiel, nachdem er von Marathon nach Athen lief und die Nachricht des Sieges überbracht hatte, mag ihm 2000 Jahre Ruhm beschert haben, war aber angesichts seines Ablebens doch ausgesprochen dämlich. "

Benni nervt die heroische "Hauptsache Finishen" Attitüde

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