Wir leben in politischen Zeiten. Manche sagen hyperpolitischen Zeiten. Was sie damit meinen, ist die zunehmende Politisierung unserer Gesellschaft, das Vordringen politischer Diskurse in jeden Winkel unseres Alltags. Einerseits. Andererseits ist da die Ohnmacht. Diese Ohnmacht, dass uns die Dinge aus den Händen gleiten, wir keinen Zugriff mehr haben. Was uns bleibt, sind symbolische Akte. Wir schreiben Transparente, auf denen steht: „Nie wieder ist jetzt“. Wir rufen: „Wir sind mehr.“ Obwohl wir wissen, dass das schon lange nicht mehr stimmt. 20 % für eine Partei, die ganz rechts außen steht, sagen die Umfragen. Wie hoch ist da die Wahrscheinlichkeit, dass in deinem 50-köpfigen Lauftreff keiner AFD wählt? Wohl eher gering.
Was also tun, wenn dein laufender Nebenmann plötzlich anfängt, von Remigration zu faseln und den menschengemachten Klimawandel zu leugnen? Die Pace radikal erhöhen wäre natürlich eine Option. Das Problem: Es ist Winter und du bist gar nicht fit. Du musst dich wohl oder übel dem Gespräch stellen. Ich weiß, das macht keinen Spaß. Ich weiß, das ist anstrengend. Aber bleibt uns eine Wahl? Bei einem Fünftel der Gesellschaft, welches komplett aus der Mitte abgedriftet ist und von dort den Diskurs bestimmt, sodass weitere 30 % sich vorstellen können, einen Kanzler zu wählen, dessen Aussagen zur Asylpolitik haargenau so klingen, wie vor wenigen Jahren nur die der geschassten AFD? Die Ausgrenzungsstrategie ist nicht per se falsch. Bei kleinen Minderheiten kann sie funktionieren. Wir Menschen sind soziale Wesen und wollen, mit wenigen Ausnahmen, nicht dauerhaft von der überwiegenden Mehrheit ausgestoßen werden.
Im Falle der AFD und ihrer Anhänger aber ist die Ausgrenzungsstrategie gescheitert. Ihre Positionen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Leider! Was also tun? Ich bin selber etwas ratlos. Was aber wohl nicht mehr funktioniert, ist wegrennen. Ich weigere mich auch zu glauben, dass 50 % unserer Gesellschaft per se Menschenfeinde sind. Was aber definitiv zunimmt in unsicheren Zeiten, sind Verlustängste. Diese sitzen tief und werden wohl auch nicht durch die gut gemeinten Argumente eines Laufkumpels aus dem Weg geräumt. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Daher möchte ich nachfolgend zwei laufspezifische Diskursvorschläge machen. Versuchen kann man es ja mal.
Erstens: „Grenzen dicht? Weißt du, was das bedeutet? Vom hiesigen Taunus in die Alpen sind es schon jetzt satte fünf Stunden Autofahrt. Wenn nun jedes einzelne Auto kontrolliert wird, was ja alternativlos wäre für eine stringente Einreisekontrolle, werden daraus sicherlich acht Stunden. Wohl eher zehn. Dann bist du schon k.o., bevor du dich beim Innsbruck Alpine in Österreich an die Startlinie gestellt hast. Willst du das wirklich?“
Zweitens: „Ich habe letztens in einer Studie gelesen, dass, wenn der Klimawandel in dem rasanten Tempo weitergeht, in wenigen Jahren im Hochsommer nur noch Indoor-Sportarten möglich sein werden. Schon möglich, dass die Studie vom links-grünen Establishment manipuliert wurde. Meinst du, der UTMB gehört auch dazu? Ich glaube, für die könnte es schwierig werden, wenn sie 170 Kilometer und 10.000 Höhenmeter einfach so in eine Halle verlegen müssten. Ob das so cool wird? Vielleicht gehen wir doch lieber auf Nummer sicher und versuchen das mit dem CO2?“