Was macht die ITRA? (Und warum ist mein Performance Index so niedrig?)

Kein Bock zu lesen? Lass dir diesen Artikel einfach vorlesen. Jetzt Mitglied werden und Vorlesefunktion freischalten.
Wohl jeder Trailrunner war schon mal auf der Internetseite der ITRA – zumindest um seinen eigenen ITRA Performance Index zu checken. Aber was genau ist die ITRA? Was sind die Aufgaben des internationalen Trailrunning-Verbands? Wie ist sie organisiert? Wir haben nachgefragt.

„Wir müssen Geld erwirtschaften, um unsere Arbeit mit Leben zu füllen, aber wir machen kein Geld um des Geldes willen: Die ITRA hat keine Shareholder oder Investoren.“, erläutert Izzy Chanel im Interview mit uns. Die junge Britin arbeitet seit eineinhalb Jahren als Kommunikations- und Marketing-Beauftragte für die ITRA. Ihr Arbeitgeber ist eine Non-Profit-Organisation. „Jeglicher Gewinn, den die ITRA erwirtschaftet, wird zu hundert Prozent in die Arbeit der ITRA reinvestiert“, erklärt Izzy Chanel. Die ITRA wurde im Juli 2013 gegründet. Unter den Gründungsmitgliedern damals: Unter anderem Catherine und Michele Poletti, die beiden Gründer des UTMB. Michelle Poletti war viele Jahre Präsident der ITRA. Seit einigen Jahren ist die ITRA allerdings komplett unabhängig. Es gibt zwischen ihr und dem UTMB keine engeren Verbindungen, wie sie zwischen der ITRA und anderen Trailrennen bestehen. Einzig der Standort ist noch derselbe: Auch die ITRA hat ihr Büro in Chamonix. An der Spitze der ITRA steht das Steering Committee, das man sich ähnlich wie einen Aufsichtsrat vorstellen kann. Es besteht aus Mitgliedern der ITRA, Rennorganisatoren sowie Läufern und Läuferinnen. Als Vertreterinnen der Eliteläufer sitzen beispielsweise die beiden deutschen Trailrunnerinnen Ida Sophie Hegemann und Rosanna Buchauer im Steering Committee. Zudem gibt es ein Executive Board, das die Führung der Geschäfte übernimmt. Dieses setzt sich aus der Präsidentin (derzeit der aus Hong Kong stammenden Janet Ng), vier Vizepräsidenten, einem Schatzmeister und einem Generalsekretär zusammen. Beide Gremien – das Steering Committee und das Executive Board – werden alle vier Jahre von den Mitgliedern der ITRA gewählt. Die tagtägliche operative Arbeit wird von einem Team von etwa zehn Angestellten mit Sitz in Chamonix übernommen, unterstützt von zahlreichen freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern, die weltweit verteilt sind.

Was macht die ITRA?

1. Statistiken

„Die ITRA ist eine Datenbank“, sagt Izzy Chanel. „Wir haben eine der größten Datensammlungen im gesamten Sport, die sich aus über 350.000 Trailrunnern und 6.000 Rennveranstaltern zusammensetzt.“ Tatsächlich ist genau dies das Kerngeschäft der ITRA: Statistiken zu erstellen und zu vertreiben, wo es vorher keine gab. Bis mindestens 2013 galten die Ergebnisse von Trailrunning-Wettbewerben als nicht vergleichbar. Mit dem ITRA Performance Index änderte sich dies. Die ITRA machte sich die vermeintliche Unquantifizierbarkeit des Sports zunutze und entwickelte ein einzigartiges System, mit dem jede bei einem Trail-Event erlaufene Leistung miteinander vergleichbar gemacht wurde. Fortan gab es kein Rennergebnis dieser Welt mehr, an das nicht eine Zahl zwischen 0 und 1000 geheftet wurde: Der sogenannte ITRA-Score. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch daran, dass die Skepsis vieler Trailrunner gegenüber diesem neuen System in den Anfangstagen nicht klein war: „Trailrunning ist wild, frei und nicht vermessbar“, so lautete die Kritik nicht weniger Skeptiker. Inzwischen ist der ITRA Performance Index, der sich aus den fünf besten ITRA-Scores der letzten drei Jahre zusammensetzt, aus dem Trailrunning nicht mehr wegzudenken. Wir Trailrunner haben uns längst daran gewöhnt, die Tage nach einem Rennen mehr oder weniger ungeduldig die ITRA-Statistikseite zu refreshen, um zu erfahren, wie viel Punkte unsere Leistung wert war.

Die ITRA- Statistiken des wohl besten Trailrunners der Welt: Kilian Jornet

Die ITRA ist stolz auf ihre Statistiken. Die ITRA postuliert, dass ihr Index die Leistungen von Trailrunnern am akkuratesten widerspiegelt. Anders als Angebote von privaten Unternehmen, wie der UTMB Index, ist es der ITRA Performance Index der einzige Index, der vom weltweiten Leichtathletik-Verband (World Athletics), dem Dachverband der ITRA, anerkannt wird. Wer das komplette Statistik-Angebot der ITRA einsehen will, welches zahlreiche spannende Tools, Grafiken und Vergleichsmöglichkeiten rund um die Performance Indices aller Trailrunner weltweit umfasst, kann für einen jährlichen Beitrag von 12 Euro ITRA-Mitglied werden und erhält vollen Zugriff. Auch Rennveranstalter profitieren bei einer Mitgliedschaft (ab 100 Euro pro Jahr). Eine Mitgliedschaft des jeweiligen Rennens ist allerdings nicht notwendig, damit deren Ergebnisse in der ITRA-Statistik erscheinen. Tatsächlich sind es diese Mitgliedsbeiträge, die den weitaus größten Teil der Einnahmen der ITRA ausmachen – ein nicht zu unterschätzender Vorteil, da sich die ITRA damit unabhängig von einzelnen Sponsoren oder privaten Geldgebern macht.

2. Initiativen

Ein zweiter großer Zweig der Arbeit der ITRA sind die zahlreichen Initiativen und Arbeitsgruppen, die die ITRA ins Leben gerufen hat oder an denen sie beteiligt ist. Alle diese Initiativen verfolgen ein großes Ziel, dem sich der Verband verschrieben hat: Die ITRA will, dass der Sport Trailrunning wächst, aber auf eine nachhaltige Art und Weise. Letzteres betont Izzy Chanel: „Wir sehen den massiven Boost, den Trailrunning derzeit weltweit erlebt. Es ist wohl eine der am schnellsten wachsenden Sportarten der Welt. Wir arbeiten daran, wie wir dieses Wachstum in gemeinsamer Zusammenarbeit nachhaltig gestalten können.“ Dafür gibt es verschiedene Initiativen. Einige davon widmen sich spezifischen Nachhaltigkeitsprojekten. Andere arbeiten daran, wie man die Teilnahme von Frauen an Trailrunning-Events fördern könnte. Wieder andere adressieren den Profisport Trailrunning und arbeiten daran, wie der Sport olympisch werden könnte (dazu unten mehr). Hier arbeitet die ITRA zum Beispiel eng mit der PTRA zusammen. Die Pro Trail Runners Association wurde erst vor zwei Jahren von Kilian Jornet, Pascal Egli und Francesco Puppi ins Leben gerufen und ist eine Art Gewerkschaft, die für die Interessen aller Profi-Trailrunner eintritt.

" „Wir sehen den massiven Boost, den Trailrunning derzeit weltweit erlebt. Es ist wohl eine der am schnellsten wachsenden Sportarten der Welt. Wir arbeiten daran, wie wir dieses Wachstum in gemeinsamer Zusammenarbeit nachhaltig gestalten können.“ "

Izzy Chanel

Verantwortlich für Kommunikation und Marketing bei der ITRA: Trailrunnerin Izzy Chanel

3. Weltmeisterschaften und bald auch Olympia?

Das dritte große Arbeitsfeld der ITRA sind die internationalen Meisterschaften. Zusammen mit der WMRA und der IAU organisiert die ITRA unter dem Dach von World Athletics alle zwei Jahre die Trail- und Berglauf-Weltmeisterschaften. „Die Weltmeisterschaften sind, bezogen auf den Performance Index, die kompetitivsten Meisterschaften im Trailrunning weltweit – noch vor dem UTMB oder dem Western States“, erklärt Izzy Chanel. Tatsächlich war dies bei den Berg- und Traillauf-Weltmeisterschaften 2023 in Innsbruck der Fall. Zwar fehlten einige wenige Stars, doch die Dichte der Rennen bis weit in das Elitefeld hinein war beeindruckend. Neben den Weltmeisterschaften gibt es weitere internationale Meisterschaften, wie die Europameisterschaften oder die erst kürzlich ausgetragenen Asia-Pacific Championships, welche die ITRA mitorganisiert. Seit letztem Jahr gibt es auch die ITRA National League: ein Angebot für Trailrunner in ihrem Land, bei ausgewählten Rennen Punkte zu sammeln, sich in einem Ranking zu platzieren und einen nationalen Titel zu gewinnen.

Und Olympia?

Trailrunning bei Olympia nimmt immer festere Konturen an. Das Ziel der ITRA ist es, dass Trailrunning bei den Olympischen Spielen 2032 in Brisbane, Australien, olympisch wird. Doch das ist bei weitem nicht die Entscheidung der ITRA allein. Hier sind viele beteiligte Stakeholder, wie zum Beispiel auch die nationalen Leichtathletik- und Laufverbände der einzelnen Nationen, in Gesprächen und Abstimmungen. Izzy Chanel betont, dass das Ziel, Trailrunning olympisch zu machen, nicht um jeden Preis verfolgt wird, sondern dass der Charakter des Sports auch bei einem olympischen Event erhalten bleiben muss. Wie ein solcher olympischer Trailrunning-Wettbewerb genau aussehen könnte, ist derzeit noch unklar.

Die deutschen Top Ten Trailrunner laut ITRA Performance Index

Welche Faktoren werden beim ITRA Score mit einbezogen bzw. warum ergibt die gleiche Zeit auf derselben Strecke in zwei verschiedenen Jahren nicht dieselbe Punktzahl?

Zum Abschluss müssen wir noch eine Frage beantworten, die viele Trailrunner umtreibt: Wie genau kommt der Race-Score eines jeden Läufers oder einer jeden Läuferin zustande? Welche Faktoren eines Rennens werden in die Berechnung einbezogen? Um ihr geistiges Eigentum vor der Konkurrenz zu schützen, veröffentlicht die ITRA den genauen Algorithmus des ITRA Scores nicht – verständlich. Auf ihrer Website bietet sie jedoch ein umfassendes und detailreiches FAQ, das vieles erklärt.

Natürlich werden die harten Fakten eines jeden Rennens in die Berechnung mit einbezogen: Länge, Höhenmeter, Höhe. Dies allein erklärt allerdings nicht, warum die gleiche Zielzeit bei demselben Rennen in verschiedenen Austragungen zu unterschiedlichen Race Scores führt. Hier kommt ein Wert ins Spiel, den die ITRA den „adjustment coefficient“ nennt. Nachdem ein „raw ITRA Score“ errechnet wurde, der auf den oben beschriebenen objektiven Fakten basiert, wird dieser durch den variablen Korrekturfaktor, der für jedes Rennen individuell ermittelt wird, angepasst.

Hier wird es spannend: Es sind nicht die vielen schwer zu ermittelnden Variablen wie Wetter, Streckenzustand und andere, die herangezogen werden. Stattdessen wird der Korrekturfaktor über eine indirekte Methode ermittelt, die die vergangenen Rennergebnisse der Teilnehmenden zu Rate zieht und sie in Relation mit dem zu ermittelnden Rennresultat setzt. Vereinfacht gesagt: Laufen die Finisher bei einem Rennen kollektiv schneller als es ihr aus den vergangenen Ergebnissen ermittelter Performance Index hergibt, wird der Korrekturfaktor den Race Score etwas nach unten anpassen. Umgekehrt wird der Race Score nach oben angepasst, wenn die Daten aus den vergangenen Rennen eine schnellere Zielzeit prognostizieren würden, als es tatsächlich der Fall war.  Dieses Prozedere hat einen großen Vorteil: Die nötigen Daten sind einfach und schnell verfügbar und jeder erdenkliche Faktor, der die Zielzeit beeinflusst, wird mit einbezogen – wenn auch nur indirekt. Izzy Chanel erklärt uns aber auch, dass der Algorithmus nicht auf sich allein gestellt ist, sondern ein mehrköpfiges Team die ITRA-Statistiken betreut und bei Bedarf Verbesserungen vornimmt.

Gravel Running im Trail-Paradies: Drei Erkenntnisse vom Salomon Lindkogel Trail

Sub 14 – Zahlen und Storylines vom Chianti by UTMB, Barkley Marathons, Acantilados Del Norte und Lindkogeltrail