Prodigio Pro: „Es war nicht unser Plan, einen Superschuh zu entwickeln“

Ist der Prodigio Pro von La Sportiva ein Superschuh, der eigentlich kein Superschuh sein will? Warum wird bewusst auf eine Karbonplatte verzichtet? Darüber haben wir mit Tobias Gramajo von La Sportiva im idyllischen Ziano di Fiemme gesprochen.

Alles Laufbar: Welche Aufgabe hast du bei La Sportiva? Was ist deine genaue Position?

Tobias Gramajo: Ich bin Tobias Gramajo, und ich bin Produktmanager bei La Sportiva für die Bereiche Mountain Running und Hiking. Ich arbeite hier seit fast zwei Jahren und war zuvor in verschiedenen Funktionen bei Mizuno und Nike tätig. Das war eher Straßenlauf, nur ein kleiner Teil davon war Trailrunning. Jetzt bin ich zu 100 % im Bergsportbereich tätig.

La Sportiva war ja immer die Marke, die sich sehr auf den Bergsport konzentriert hat. In den letzten Jahren hat sich der Trend hin zu einer höheren Dämpfung, einem besseren Komfort und insgesamt ästhetisch ansprechenderen Schuhen verlagert. Wir sprechen ja heute über den Prodigio Pro. Kannst du uns erklären, wie die angesprochene Entwicklung den Prodigio Pro beeinflusst hat?

Die Idee hinter der Prodigio-Serie war es, einen guten Schuh für Langstreckenläufer zu entwickeln. Früher bedeutete Langstrecke 30, 40 Kilometer. Heute sprechen wir von Ultraläufen über 50 km, 100 km, 100 Meilen und mehr. Aus diesem Grund haben sich alle Technologien stark weiterentwickelt. Heute bieten Trailrunning-Schuhe viel zusätzliche Dämpfung, auch wenn einige Produkte auf Reaktionsfähigkeit und Geschwindigkeit ausgelegt sind, aber Komfort und Schutz stehen im Vordergrund. Aus diesem Grund entstand die Idee, etwas Modernes und Aktuelles für die heutigen Trailrunner zu entwickeln, die lange Distanzen zurücklegen wollen. Nach der Einführung des ersten Prodigio wollte ich alle Entwicklungen im Bereich des Mountain Runnings über lange Distanzen in einer großen Produktfamilie vereinen. Aus diesem Grund haben wir eine ganze Reihe von Modellen entwickelt: Prodigio, Prodigio Pro und Prodigio Max.

Tobias Gramajo von La Sportiva. Foto: Alles Laufbar

War es das Ziel mit dem Prodigio Pro einen sogenannten Superschuh zu entwickeln?

Nach der Markteinführung des Prodigio hatten wir unseren ersten modernen Schuh für Trailläufe. Ich erinnere mich noch gut an das erste Jahr vor der Markteinführung, als unsere Athleten begannen, diesen Prototyp zu testen. Nach der Markteinführung  waren die Athleten zufrieden, aber es reichte noch nicht aus, um mit den anderen Marken im Trailbereich mithalten zu können. Aus diesem Grund musste der zweite Schuh ein Performance-Schuh werden. Der Prodigio Pro sollte den Athleten das beste Produkt bieten, um sich gegen alle anderen Athleten auf diesem hohen Niveau zu behaupten. Aus diesem Grund haben wir das X-Flow Speed eingeführt, das neue Material für die Zwischensohle, dem wir viel zusätzliche Reaktionsfähigkeit und Geschwindigkeit verdanken, und wir haben eine Plattform mit einem extremeren Rocker entwickelt, um einen superschnellen und dynamischen Schuh zu erhalten. Zu guter Letzt haben wir viel daran gearbeitet, etwas Einzigartiges für das Obermaterial zu entwickeln: Das Power Wire ist superleicht, extrem widerstandsfähig ist und trocknet in kürzester Zeit.

Im Vergleich zu den Superschuhen anderer Marken hat der Prodigio Pro keine Karbonplatte. War das eine bewusste Entscheidung?

Wir sind absolute Experten in Sachen Karbon, denn wir haben es in anderen Schuhe verbaut, zum Beispiel im Skibereich. Wir müssen kein Karbon aus anderen Ländern, Unternehmen oder Kontinenten importieren, wir haben es hier. Wir haben das Potenzial von Karbon getestet und im Labor und in der Praxis die Vor- und Nachteile von Karbonplatten in Laufschuhen analysiert. Wir sind absolut überzeugt und stimmen zu, dass Karbon eine Leistungssteigerung von 3, 4, 5% bringen kann, was den Vortrieb beim Laufen im flachen Gelände oder auf einfachen Trails angeht. Aber man verliert an Leistungsvorteil, sobald man auf technisch anspruchsvollem Gelände läuft. Das ist extrem schwierig.

Überall, wo du die Geschwindigkeit verringerst.

Ja. Aus diesem Grund ist für uns der Prodigio Pro ohne Karbonplatte der beste Kompromiss für einen Ultra-Lauf vom Start bis zum Ziel, von den schnellen bis zu den technischen Passagen. Ein Beispiel ist der UTMB. Der Start in Chamonix bis nach Saint-Gervais ist super einfach und super schnell. Mit Schuhen mit Karbonsohle hat man einen guten Vorteil. Aber von Courmayeur bis zum Grand Col Ferret ist das nicht mehr der Fall. Viele Eliteathleten wechseln in Courmayeur ihre Schuhe und ziehen Schuhe mit starker Dämpfung an.

Es gab beim UTMB viele DNFs im letzten Jahr, weil sie gestürzt sind.

Zum Beispiel. Aus diesem Grund war die Idee, etwas Neues anzubieten. Es war nicht unser Plan, einen Superschuh zu entwickeln, aber der Markt hat den Prodigio Pro als Superschuh eingestuft. Wir sind glücklich, einen Superschuh zu haben, der ein hohes Leistungsniveau hat, ohne die Karbonplatte, die 50 oder mehr Euro kostet. Für uns ist das derzeit der beste Kompromiss, wenn es um Ultra-Schuhe geht. Für sehr lange Strecken könnte Karbon wahrscheinlich eine gute Idee sein. Das werden wir in Zukunft sehen. Im Moment sind wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Der Prodigio Pro in Aktion. Foto: La Sportiva

Du hast vorhin erwähnt, dass es in zwei Jahren das nächste Modell dieses Modells geben wird. Ist es geplant, dass dann eine Platte enthalten sein wird?

Ja, ich würde sagen, dass die Platte die nächste Technologie sein wird. Aber wir setzen nur auf eine Technologie, wenn sie die Leistung des Produkts um 360 Grad verbessert.

Wie sieht es mit den anderen Modellen von La Sportiva für die nächsten Jahre aus? Wir haben ja noch den Mutant, Bushido, Akasha. Wird sich mehr auf die Prodigio Reihe konzentriert? Kommen noch völlig neue Modelle auf den Markt?

Wir werden versuchen, alle Distanzen zu bedienen. Mit der Prodigio-Serie können wir auf jeden Fall alle langen Distanzen abdecken. Für die kurzen Distanzen müssen wir etwas Neues entwickeln. Die Idee ist, eine moderne Schuhserie für kurze Distanzen mit denselben Kriterien zu entwickeln, wie bei der Prodigio Serie. Dann gibt es noch ein weiteres Thema, das für mich sehr wichtig ist. Aktuell haben wir alles, was wir für 80% der Bedingungen auf lange Distanzen benötigen. Aber was passiert, wenn man mit einem regnerischen Tag oder einem wettermäßig komplett verrückten Tag konfrontiert wird? Wir brauchen einen Rennschuh, aber er muss für extreme Bedingungen vorbereitet sein.

Also tiefere Stollen an der Außensohle?

Ja, zum Beispiel. Am Prodigio Pro haben wir 4-Millimeter-Stollen, die sowohl bei trockenen als auch bei nassen Bedingungen funktionieren. Das ist die Grundausstattung, aber wenn du unter extremen Bedingungen laufen musst, benötigst du sechs, sieben oder acht Millimeter, um sicher zu laufen.

Der Prodigio Pro in Aktion. Foto: La Sportiva

Kannst du erklären, um welches Material es sich bei der X-Flow-Mittelsohle beim Prodigio Pro handelt?

Es handelt sich nicht um ein einziges Material, sondern um eine Kombination aus zwei Materialien. Mittig, vor allem im Vorfußbereich, verwenden wir das X-Flow Speed. Es handelt sich dabei um ein nitro-infused Polyurethan, das extrem reaktiv ist. Wir versuchen, die Reaktivität und das Gefühl für Trailrunner maximal zu verstärken. Aus diesem Grund haben wir das sogenannte Strobel-Board herausgenommen.  Dies ist der erste Schuh ohne Strobel-Board. Das Strobel-Board ist das Textilmaterial, das sich bei allen Schuhen in der Mitte zwischen der Zwischensohle und dem Innenbereich befindet. Es ist eine Verbindung zwischen dem Obermaterial und der Zwischensohle, um die Stabilität des Obermaterials zu gewährleisten und eine Trennschicht zwischen der Zwischensohle und der anderen Seite zu schaffen. So wird die Stabilität der Materialien nach oben und unten verbessert.

Wurde auch wegen des Gewichts auf das Strobel-Board verzichtet?

Ja. Man kann Gewicht verlieren, man kann ein wenig an Stabilität einbüßen, aber man verbessert das Gefühl. In diesem Fall handelt es sich um einen Performance-Schuh. Für uns ist das Gefühl und das Gewicht entscheidend, selbst wenn es nur drei Gramm sind, aber das Gefühl der Reaktionsfähigkeit ist wichtig. Mit dieser Konfiguration kann man die Spitzenleistung steigern.

Und der zweite Bestandteil der Mittelsohle?

Hier ist ein anderes Material verbaut, das wir X-Flow Endurance nennen und das wir um den erwähnten X-Flow Speed-Kern herum verwenden. Das ist ein widerstandsfähigeres Material, das sehr, sehr lange hält. Über 1.000 Kilometern hast du ein konstant widerstandsfähiges Material, das  über lange Zeit Dämpfung garantiert.

Vielen Dank für die Informationen und das Gespräch.

Danke.

Der Prodigio Pro im Alles Laufbar Test

Test

La Sportiva Prodigio Pro

Respekt. Da haben die italienischen Alpinspezialisten aus dem Val di Fiemme echt abgeliefert. Ein moderner Trailschuh, der einen schwierigen Spagat schafft. Aber lest selbst.

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