Eva-Maria Sperger: In der Form ihres Lebens?

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Eva-Maria Sperger hat mit ihrem Sieg beim Tenerife Bluetrail by UTMB unterstrichen, dass sie zurück in Topform ist. Sie fühle sich so stark wie selten, ja vielleicht wie noch nie. Über eine Läuferin, die offen über ihre Zweifel spricht und die noch viel vorhat.

Eva-Maria Sperger erlebt gerade so etwas wie ihren zweiten Frühling. Nicht, dass die Salomon-Athletin jemals weggewesen wäre. Im Gegenteil: Sperger suchte sich im letzten Jahr bewusst die großen Rennen raus, um sich mit den besten der Welt zu messen: UTMB, Transgrancanaria, Grand Raid de la Réunion. Doch dann kam die Verletzung. Ein Ermüdungsbruch hält Eva monatelang vom Laufen ab. Alternativtraining in Form von Radfahren und Skitourengehen ist angesagt. Dank jahrelanger Erfahrung und ausgeprägter Disziplin schafft sie es die Verletzungsphase zu überstehen. Bei einem Treffen im April verrät uns die Bergsportlerin, dass die harten Einheiten auf der Rolle sie sogar fitter als jemals zuvor gemacht hätten.

Die ersten Wettkämpfe 2024 laufen vielversprechend. Auf für sie verhältnismäßig kurzen Distanzen ruft sie starke Leistungen ab. Sie gewinnt den 50 km langen Malcesine Baldo Trail und den Marathon beim Mountainman Nesselwang. Und jetzt: der Sieg beim Tenerife Bluetrail by UTMB. Eva-Maria Sperger ist zurück auf der großen Bühne. Pünktlich vor ihrem großen Saison-Highlight in etwas mehr als zwei Monaten, dem UTMB in Chamonix. Auf die Frage, ob sie in der Form ihres Lebens sei, antwortet sie: „Ja, tatsächlich, aus welchen Gründen auch immer.“

Foto: Salomon

Erst mit Mitte 30 ist Eva-Maria Sperger zur Trailrunnerin geworden. Doch dann geht es schnell. Ihre ersten vier Ultratrails 2016 gewinnt sie allesamt, fast blitzartig gehört sie zur deutschen Spitze. Man könnte auch sagen: Sie ist die deutsche Spitze im Ultratrail. In den folgenden Jahren kann die in Garmisch-Partenkirchen lebende Sportlerin zahlreiche Erfolge feiern. Highlights sind der Sieg mit Streckenrekord beim Großglockner Ultra-Trail, die Top 10-Platzierung beim UTMB 2022 und die starke Performance bei der WM in Innsbruck-Stubai 2023, dank der sie eine Mannschafts-Silbermedaille mit nach Hause nimmt.

Sprachnachricht am Flughafen

Wir erreichen Eva-Maria Sperger am Sonntag nach ihrem Sieg am Flughafen. Genauer gesagt erreichen wir sie bereits im Flugzeug sitzend. Ob sie uns ein kurzes Statement zum Rennen am Vortag geben könne? „Ja, dann lieber jetzt gleich, ich komme wahrscheinlich erst um Mitternacht heim und muss morgen um Acht Uhr wieder arbeiten.“ Nach dem Ultra wartet der Alltag, die Arbeit, das Leben. Eva-Maria Sperger arbeitet als Psychologische Psychotherapeutin und muss, wie die allermeisten auch, den Sport in ihr ganz normales Leben integrieren. Sie schafft es trotzdem, wie sie sagt, immer wieder „All-in“ zu gehen und sich zu voll zu fokussieren. So auch dieses Jahr. Wie viel Genugtuung bringt ihr dieser Sieg? „Ich bin einfach total glücklich damit und sehr, sehr stolz, um ehrlich zu sein. Es ist einfach schön, jetzt wieder an diesem Punkt angelangt zu sein.“

" Es zerrt und zieht und rüttelt an einem, sich so lange auch in diesem Leistungsumfeld zu bewegen. "

Eva-Maria Sperger

Fühlt sich dieser Erfolg für sie an wie die Vollendung eines erfolgreichen Comebacks? „Zwischendurch hatte ich echt schon gedacht, ich bin einfach nicht mehr so leistungsfähig“, erzählt uns die 44-jährige Siegerin von Teneriffa. „Es zerrt und zieht und rüttelt an einem, sich so lange auch in diesem Leistungsumfeld zu bewegen. Einmal wegen des Alters, dann wegen der Verletzung im Winter. Letztes Jahr war ich nicht so zufrieden. Obwohl ich es ganz gut fand, dass nicht mehr der volle Fokus auf mich gerichtet war, so als beste Deutsche. Es tat mir gut, wieder ein bisschen mehr mein Ding machen zu können.“

Eva-Maria Sperger fühlt sie fit wie eh und jeh. Foto: Salomon

Sie habe die 110 km und 6250 hm des Tenerife Bluetrail by UTMB etwas unterschätzt, gibt sie bereitwillig zu. „Mein Gott, es ist halt ein 100 km-Rennen“, habe sie gedacht, „aber 100 Kilometer sind dann doch immer ganz schön lang“, berichtet die 44-Jährige leicht schmunzelnd. Es sei vor allem die Höhe gewesen (der höchste Punkt des Rennens liegt auf rund 3.500 Metern), die sie vor Herausforderungen stellte. „Man merkt halt ab ‚Zweifünf‘, dass einem schwindlig wird. Außerdem ist es in der Höhe schwer, noch was runterzukriegen, ohne dass einem übel wird.“ Auch die krassen Temperaturunterschiede und ein zeitweilig nicht sehfähiges Auge („Das passiert mir ab und zu mal, wenn zu viel Staub ins Auge kommt.“) fordern Evas ganze Energie und Konzentration. Etwa bei Kilometer 30 überholt sie eine Frau, von der sie weiß, dass sie fast 80 ITRA-Punkte mehr als sie hat. „Das hat mich natürlich total gepusht und ich war superhappy.“

Hoch motiviert und voller Tatendrang

Auch die Szenerie der Umgebung fasziniert sie. „Die Landschaft dort oben ist superschön. Der Sonnenaufgang und der Moment, wenn du auf das Wolkenmeer runterschaust, ist einfach gigantisch.“ Irgendwann ruft ihr jemand zu, dass sogar nur noch sieben Männer vor ihr laufen. Sie kann es fast nicht glauben. Nach 15:18 Stunden überquert Eva-Maria Sperger schließlich überglücklich als erste Frau und Overall Achte die Ziellinie. Ein Moment der Erleichterung, wie sie im Flugzeug sitzend reflektiert: „Hey, ich schaffe es mit Job und dem Alter trotzdem immer wieder auf dieses Niveau. Das ist schon speziell. Irgendwie auch unglaublich.“ Es läuft einfach wieder für Eva-Maria Sperger, die hoch motiviert und voller Tatendrang für die restliche Saison zu sein scheint. Der UTMB kann kommen.

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