18 Sekunden – Zahlen und Storylines vom Transgrancanaria

Immer Montags präsentieren wir euch drei Zahlen des vergangenen Wettkampfwochenendes. Hinter jeder Zahl verbirgt sich eine kleine Geschichte, die interessant, spannend, lustig oder einfach nur informativ ist. Dieses Mal blicken wir auf den Transgrancanaria.

ZWEIUNDZWANDZIG Grad

Es ist jedes Jahr dasselbe. Trailrunner aus aller Welt reisen auf die kanarische Insel Gran Canaria, um beim Transgrancanaria einen frühen Saisoneinstieg hinzulegen. Viele Mittel- und Nordeuropäer werden sich gedacht haben: Raus aus dem grauen, winterlichen Schmuddelwetter zu Hause, hinein in den Frühling. Wie schön! Während es letztes Jahr noch kalt, regnerisch und stürmisch war, gab es vergangenes Wochenende tatsächlich Sonne satt und Temperaturen von deutlich über 20 Grad. Für viele unakklimatisierte Frostbeulen aus dem DACH-Raum war das zu viel Frühling auf einmal. 22 Grad im Schatten fühlen sich dann schnell wie eine maximal aufgeheizte Finnen-Sauna an. Besonders dann, wenn man wie auf Gran Canaria häufig über exponiertes und unbewachsenes Gelände laufen muss.

Kein Wunder also, dass der Organismus des DACH-Trailrunners der Wärme Tribut zollen musste und wir auf Strava und Instagram einige Leidensgeschichten lesen konnten. Das aus deutscher Sicht prominenteste Opfer der Hitze war Daniela Oemus, die auf Instagram folgende Erkenntnis teilte: „Um ein Rennen wie dieses gut zu laufen, bei Temperaturen unter 0°C zu Hause, brauche ich mehr als 5 Tage Eingewöhnungszeit.“

Wir lernen: Ein Kaltstart in den Frühling auf Gran Canaria hat seine Tücken und sollte nicht unterschätzt werden.

Daniela Oemus beim Transgrancanaria 2025. Foto: Ian Corless

ACHTZEHN Sekunden

Was für ein spannendes Finish bei der Marathon-Distanz auf Gran Canaria! Auf den buchstäblich letzten Metern überholt der Italiener Francesco Puppi den bis dahin lange Zeit führenden Robert Pkemoi, der dem wie entfesselt laufenden Puppi nichts mehr entgegenzusetzen hat. Puppi beschreibt den inneren Monolog, den er in diesem Moment führte, wie folgt: „Drei Kilometer vor dem Ziel sah ich ihn vor mir. Ich erinnere mich, wie ich mit mir selbst verhandelte: Sollte ich tief in den Schmerz gehen, um zu versuchen ihn zu überholen? Einerseits fühlte ich einen starken Drang zu gewinnen, andererseits gab es keine Sicherheit, dass sich die Qual am Ende auch auszahlt. Auf der einen Seite, der Schmerz, den du gewillt bist einzugehen, um zu gewinnen, auf der anderen Seite die Schönheit des Sieges. Gewinnen heißt nicht nur die Ziellinie als erster zu überqueren. Gewinnen heißt, weiter zu machen, komme was da wolle.“

Am Ende trennt die beiden 18 Sekunden. Beide Läufer wirken im Ziel völlig entkräftet und ausgelaugt. Kein Wunder bei diesem Finish! Vielleicht hat die deutsche Lauftrainerlegende Peter Greif („Der Schleifer der Nation“) recht, und man sollte die langen Läufe in der Marathonvorbereitung mit einer Endbeschleunigungsphase laufen? Es kann augenscheinlich nicht schaden, am Ende eines Rennens noch ein paar Körner übrig zu haben.

Wir merken uns: Ein Spiel dauert 90 Minuten bzw. der Marathon auf Gran Canaria ist 47 km lang. Nicht 45, nicht 46. Nein, wer gewinnen will, muss bis zum letzten Meter alles geben.

Francesco Puppi beim Transgrancanaria 2025. Foto: Ian Corless

Sieg Nummer FÜNF?

Seit 2015 startet der Spanier Pau Capell auf Gran Canaria. Er ist so etwas wie die Local Legend. Viermal in Folge konnte er auf der Insel auf der langen Strecke gewinnen (2017, 2018, 2019 und 2020). Sein Streckenrekord von 2019 (12:42 Stunden) galt lange Zeit als das Maß aller Dinge – bis jetzt. Denn vergangenes Wochenende ist Caleb Olson sage und schreibe 25 Minuten schneller gewesen, während Pau Capell nach rund 50 km ausgestiegen ist und ein DNF kassiert hat.

Mit Streckenrekorden ist es ja immer so eine Sache. Zu oft werden Strecken abgeändert (so auch dieses Jahr), zu unterschiedlich sind die klimatischen Bedingungen von Jahr zu Jahr, als dass eine objektive Vergleichbarkeit gegeben wäre. Aber dieser neue Streckenrekord von Olson scheint uns doch endgültig das Ende der Dominanz von Pau Capell auf der kanarischen Insel zu markieren. Bei den ganz großen Rennen ist grundsätzlich der Wurm drin: Drei DNF’s beim UTMB in Folge (2022, 2023, 2024). Nur bei kleineren Veranstaltungen kann der Vielstarter (Capell läuft meistens um die 10 Wettkämpfe im Jahr, die meisten davon Ultras) noch vorne mitmischen. Dass ein Pau Capell, der 2019 durch seinen Sieg beim UTMB ein Trailrunning-Superstar wurde, noch einmal Läufern wie den eben genannten Caleb Olson Konkurrenz machen wird? Unwahrscheinlich. Pau Capells Ziel („Ich möchte lächelnd ans Ziel kommen.“) hat sich zumindest nicht erfüllt.

Wir halten fest: Nichts bleibt für die Ewigkeit, und Rekorde werden aufgestellt, um gebrochen zu werden.

Pau Capell beim UTMB (Archivfoto). Foto: UTMB

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