Grundlagen der Wettkampfernährung im Trailrunning

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Was musst du über Ernährung bei Trailrunning-Wettkämpfen wissen? Energie, Flüssigkeit und Salz sind die Pfeiler, die es zu managen gilt. Wir beantworten alle wichtigen Fragen.

Keep it Simple! Ist ein Grundsatz, den du bezüglich deiner Wettkampfernährung im Hinterkopf behalten kannst. Bei den inzwischen unübersichtlich unzähligen Angeboten der Sportnahrungsindustrie und den vielen Fachbegriffen, die in diesem Kontext regelmäßig fallen, ist es manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Im Prinzip musst du dich während der Belastung um drei grundsätzliche Dinge kümmern: Die Energiezufuhr, den Flüssigkeitshaushalt und den Mineralien- bzw. Salzhaushalt. In den zwei Folgen Coach’s Corner des Trailfunk Podcasts besprechen wir diese drei Grundpfeiler wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig anwendungsnah. Das Folgende fasst die wesentlichen Aussagen zusammen.

  • Wieviel Energie verbrauche ich eigentlich ?

Es gibt eine Faustformel, mit der du deinen ungefähren Energiebedarf beim Laufen abschätzen kannst. Diese lautet Energieverbrauch = 1 kcal x gelaufene Kilometer x Körpergewicht. Im flachen Gelände funktioniert diese Näherung ganz gut. Beim Trailrunning sollte man pro 100 gelaufener Höhenmeter einen Kilometer hinzurechnen. Wer seinen genauen individuellen Energiebedarf bei verschiedenen Intensitäten bestimmen will, sollte aber eine professionelle Spiroergometrie machen. Dies ist aber nicht zwingend nötig. Man wird es beim Laufen niemals schaffen seinen kompletten Energiebedarf über Nahrungsaufnahme zu decken. Das heißt: Egal wie langsam du läufst, du wirst unweigerlich in ein Defizit hineinlaufen. Je mehr Energie du zuführst, desto kleiner wird dieses Defizit sein. Der limitierende Faktor ist hier sowieso der Magen-Darm Trakt, der nur eine bestimmte Menge an Energieaufnahme pro Zeiteinheit zulässt.

Tipp: Wer Energie in kcal in g Kohlenhydrate umrechnen will, muss den Wert einfach durch vier dividieren.

 

  • Woraus ziehe ich beim Laufen Energie?

Vorrangig aus Kohlenhydraten und Fetten (erst wenn die Energiereserven sehr weit aufgebraucht sind, werden Proteine zur Energiegewinnung genutzt). Beides haben wir gespeichert im Körper vorliegen. Der Fettspeicher ist dabei weitaus größer als der Kohlenhydratspeicher. Ersterer würde theoretisch für mehrere Wochen Laufen ausreichen. Der Kohlenhydratspeicher hingegen kommt nach circa 2 bis 3 Stunden Belastung an seine Grenzen. Allerdings ist der Kohlenhydratstoffwechsel deutlich leistungsfähiger, in dem Sinne, dass er pro Zeiteinheit weit mehr Energie produzieren kann als der Fettstoffwechsel. Wir ziehen unsere Energie immer aus beidem: dem Fettstoffwechsel und dem Kohlenhydratstoffwechsel. Je höher die Intensität, umso höher der Kohlenhydratanteil. Bei sehr intensiver Belastung ziehen wir annähernd 100% der Energie aus Kohlenhydraten. Es macht also mehreren Gesichtspunkten Sinn beim Sport Kohlenhydrate zuzuführen: Die Speicher sind begrenzt, sie liefern schnell Energie und sie sind leicht verdaulich.

 

  • Welche Kohlenhydratarten gibt es?

Kohlenhydrate können in unterschiedlichsten Formen vorliegen. Es gibt Einfachzucker, Zweifachzucker und Mehrfachzucker. Folgend ein paar Beispiele für solche Zuckerarten.

  • Einfachzucker: Glukose, Fruktose, Galaktose
  • Zweifachzucker: Saccharose, Lactose, Maltose
  • Mehrfachzucker: Stärke, Glykogen, Maltodextrin und weitere

 

Alle Kohlenhydrate müssen, um im Darm aufgenommen zu werden, vorher in ihre Einzelbausteine zerlegt werden. In unserem Kontext sind das vor allem Glukose und Fruktose. Wer Mehrfachzucker, sogenannte Oligosaccharide wie zum Beispiel Mehlprodukte oder Maltodextrin aufnimmt, verzögert die Absorption der Zucker. Die Wirkung hält länger an, während hingegen Einfach- und Zweifachzucker wie Traubenzucker (Glukose) und Haushaltszucker (Saccharose) ziemlich unmittelbar im Blut und damit beim Muskel landen. Gels sind meist eine Mischung aus Einfach- und Mehrfachzuckern. Oft zum Beispiel Fruktose und Maltodextrin. Riegel enthalten oft natürliche Zutaten wie Haferflocken. Letztere liefern langkettige und komplexe Kohlenhydrate.

 

  • Wie viele Kohlenhydrate pro Zeiteinheit kann ich aufnehmen?

Nimmt man nur Glukose auf, kann ein durchschnittlicher Mensch circa 60 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde (gKH/h) aufnehmen. Kombiniert man Glukose mit Fruktose (optimalerweise im 2:1 Verhältnis), kann man dies auf 90 gKH/h steigern. Trainiert man regelmäßig seine Kohlenhydrataufnahme, kann man dies sogar auf bis zu 120 gKH/h steigern. Begrenzender Faktor ist hier auch die Menge an Flüssigkeit, die man aufnehmen muss. Pro Gramm KH braucht der Körper 10 bis 15 g Wasser, um die KH optimal zu resorbieren. Bei 120 gKH wären das schon circa 1,5 Liter pro Stunde. Das ist tatsächlich nicht einfach.

Für den Laufsport, der eine sehr Impact-dominante Sportart ist, ist eine Aufnahme von rund 100 g/KH pro Stunde als absolutes Maximum anzunehmen. Oft ist aber schon eine Menge von 50-60 g/KH pro Stunde ausreichend. Dies wären circa zwei Standardgels (25 g KH) pro Stunde. Wer diesen Wert anstrebt, macht schon viel richtig. Die aufzunehmende Menge ist natürlich auch immer etwas abhängig von der Länge der Belastung.

 

  • Welchen Sinn machen Nüchternläufe oder lange Läufe ohne Energieaufnahme?

Wer bewusst die Kohlenhydrataufnahme während der Belastung niedrig hält, setzt einen starken Reiz auf den Fettstoffwechsel und trainiert diesen dadurch. Allerdings bringt man seinen Körper dadurch in eine extreme Stresssituation und belastet ihn stark. Die Regeneration wird verlängert und die nächste Einheit unter Umständen in Mitleidenschaft gezogen. In spezifischen Fällen kann ein solches Training Sinn machen, grundlegend hat sich die Trainingslehre von Nüchternläufen und ähnlichem aber eher wieder verabschiedet. Auch weil man inzwischen herausgefunden hat, dass eine moderate Zufuhr von Kohlenhydraten das Training des Fettstoffwechsels in keiner Weise beeinträchtigt.

Gefährlich wird es wenn man durch verminderte Kohlenhydratgabe einen dauerhaften Energiemangel provoziert. Syndrome wie das RED-S (Relative Energy Deficiency in Sports) sind die Folge, was neben allgemeiner Kraftlosigkeit zu verminderter Knochendichte und damit einhergehenden Ermüdungsbrüchen führen kann.

 

  • Was versteht man unter „train the gut“ ?

Die Resorption der Einfachzucker in das Blut erfolgt im Darm. Auf dem Weg dahin muss die Nahrung den Magen passieren. Letzterer ist der Knackpunkt, wenn es um Verträglichkeit hoher Kohlenhydratmengen geht, da auf dieser Ebene die Probleme auftreten. Durch eine hohe Kohlenhydratzufuhr im Training, aber auch im Alltag, kann man den Magen aber trainieren und an hohe Kohlenhydratmengen gewöhnen.

 

" Wer bewusst auf Kohlenhydrataufnahme verzichtet, trainiert den Fettstoffwechsel. Allerdings bringt man seinen Körper dadurch in eine extreme Stresssituation. "
  • Wann sollte ich vor einem Wettkampf oder Training die letzte Mahlzeit zu mir nehmen?

Dies ist natürlich immer intensitätsabhängig. Wer in moderatem Tempo unterwegs sein wird, kann näher an die Belastung „heranessen“. Für einen intensiven Wettkampf empfiehlt es sich, die letzte kohlenhydratreiche Mahlzeit 3-4 Stunden vor dem Start aufzunehmen, um das Optimum herauszuholen. Im Training kann man aber auch mal ein oder zwei Stunden nach einer größeren Mahlzeit laufen gehen. Auch das trainiert den Magen.

 

  • Was ist eine gute Mahlzeit kurz nach einem Wettkampf oder einer intensiven Trainingsbelastung?

Kurz nach dem Wettkampf oder einer intensiven Trainingsbelastung sollte innerhalb von einer Stunde eine kohlenhydratreiche Mahlzeit angereichert mit einer Portion Proteine zugenommen werden, um die Regeneration optimal einzuleiten und den sogenannten open window Effekt zu nutzen. Recovery Drinks bieten da zum Beispiel ein einfache Möglichkeit, dies zu tun. Eine Alternative wäre zum Beispiel Magerquark mit Haferflocken und Früchten.

 

  • Wie viel Flüssigkeit muss ich im Wettkampf aufnehmen?

Dies ist natürlich hoch individuell und hängt davon ab, wie die äußeren Bedingungen sind und wie viel die jeweilige Person schwitzt. Aber selbst wenn man im Winter läuft und bei moderatem Tempo wenig bis garnicht schwitzt, empfiehlt es sich, auf die Flüssigkeitsaufnahme zu achten. Schon allein um die aufgenommenen Kohlenhydrate bestmöglich aufnehmen zu können (siehe oben). Nicht zu empfehlen ist das Trinken nach Durstgefühl, da dieses meist erst Auftritt, wenn man sich schon im Flüssigkeitsmangel befindet.

 

„Hydration in your bottles, energy in your pockets“: Was hat es mit diesem Zitat auf sich?

Rein physiologisch macht es keinen Unterschied, ob Wasser und Kohlenhydrate schon vorher oder erst im Magen/Darm Trakt gemischt werden. Beides zu trennen hat aber dennoch seine Vorteile. Vor allem aus logistische Gründen. Man behält erstens besser die Übersicht wieviel man aufnimmt und zweitens kann man die Menge Kohlenhydrate unabhängig von der Menge Wasser steigern oder reduzieren. Bei fertig gemischten Kohlenhydratgetränken ist dies nicht möglich.

Wer aber eine besonders hohe Kohlenhydrataufnahme anstrebt oder Schwierigkeiten mit Gels oder dem Kauen von Riegeln hat, für den machen fertig gemischte Drinks durchaus Sinn, da die Aufnahme natürlich deutlich vereinfacht ist, wenn man nur trinken muss. Inzwischen gibt es Pulver, die eine sehr hohe Kohlenhydratdichte (bis zu 100g pro halbem Liter) ermöglichen

 

  • Welche Mineralien sind wichtig?

Grundsätzlich ist eine ausgewogene Ernährung und die Aufnahme aller Mineralien wie Eisen, Zink, Mangan, Calcium, Magnesium etc. wichtig. Während der Belastung brauchst du dich aber nur um ein Mineral sorgen: Das ist das Natrium, da man nur hier durch erhöhte Schweißproduktion in einen Mangel rutschen kann. Natrium nehmen wir vor allem in Form von Salz, dem Natriumchlorid, auf.

 

  • Wie viel Natrium sollte ich aufnehmen?

Es empfiehlt sich eine Natriumaufnahme von 500 bis 1000 mg pro Stunde. Die Range ist natürlich groß, da dies auch wieder vom jeweiligen Schweißverlust abhängt. Aber auch von der Menge an Natrium, die man pro Liter Schweiß mit abscheidet. Dies kann von Individuum zu Indivduum stark variieren. Ein Indiz dafür, dass du viel Salz ausschwitzt, können starke Salzränder an benutzter und getrockneter Sportkleidung sein. Achtung: Natrium ist in Gels, Riegeln und Getränkepulvern schon enthalten. Teilweise aber in unterschiedlicher Menge. Es empfiehlt sich auszurechnen, ob man mit seiner Nahrungsaufnahme im oben erwähnten Bereich liegt. Hinweis: 1 Gramm Salz entspricht ca. 400 mg Natrium. An heißen Tagen empfiehlt sich unter Umständen die zusätzliche Gabe von Salztabletten.

 

  • Gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern?

Es gibt in der Physiologie keine eklatanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern, was die Nahrungsaufnahme betrifft. Frauen haben im allgemeinen einen etwas höheren Anteil des Fettstoffwechsels und wiegen etwas weniger als Männer. Resultierend daraus müssen geringere Mengen an Kohlenhydraten zugeführt werden.

 

  • Wie gut sind billige Alternativen zu Sportnahrungsprodukten wie z.B. Haribo Bären?

Grundsätzlich ist das gleiche enthalten wie in teurer Sportnahrung. Kohlenhydrate, die am Ende in die Einfachzucker Glukose und Fruktose zerlegt werden. Von daher ist vor allem für das Training erstmal nichts dagegen einzuwenden, auf günstige Zuckeralternativen auszuweichen. Generell sind in Süßigkeiten eher kurzkettige und schnell verfügbare Kohlenhydrate enthalten. Auch enthalten sie meist wenig bis kaum Salz und kein optimales Verhältnis von Glukose zu Fruktose.

Wer das Optimum herausholen will, zum Beispiel im Wettkampf, greift also lieber zu hochwertigen Produkten spezifisch für den Sport hergestellt. Lange Trainings in moderater Intensität kann man aber auch ohne schlechtes Gewissen mit gesunden langkettigen Kohlenhydraten wie Brötchen oder ähnlichem verpflegen.

 

  • Was ist das beste Verhältnis aus Glukose zu Fruktose in Sportnahrungsprodukten?

Um große Mengen an Kohlenhydraten aufzunehmen, hat sich ein Verhältnis von Glukose zu Fruktose von 2:1 etabliert. Seit kurzer Zeit nutzt manch ambitionierter Athlet auch ein Verhältnis von 1:0,8. Detailliertere Infos dazu findet ihr im Interview mit Sportwissenschaftlerin Vera Mayr.

 

  • Brauche ich im Wettkampf auch Eiweiße und Fette oder reichen Kohlenhydrate?

Für das Rennen selber und die Energieversorgung ist es nicht nötig, Eiweiße aufzunehmen (siehe oben). Bei sehr langen Wettkämpfen oder Etappenläufen kann es unter Umständen Sinn machen, Proteine zuzuführen, um die Regeneration nach dem Lauf schnell einzuleiten. Beziehungsweise dann, wenn man es nicht mehr schafft, die nötigen Proteine zwischen den Einheiten zuzuführen. Fette kann man in geringen Dosen einsetzen, um den den Magen Darm Trakt zu beruhigen.

 

  • Wann sollte ich im Rennen mit der Kohlenhydratzufuhr beginnen?

Schon sehr zeitig. Ab einer halben Stunde nach Rennbeginn kann man anfangen, Nahrung zuzuführen. Danach sollte man in regelmäßigen Abständen Kohlenhydrate zuführen. Als optimal hat sich in einer Studie ein Intervall von 15-20 Minuten ergeben. Alle 30 Minuten ist aber sicherlich auch noch in Ordnung.

 

  • Wie oft und wie viel Koffein kann ich im Rennen nehmen?

Koffein ist erwiesenermaßen leistungssteigernd. Die Substanz stand früher schon auf der Dopingliste. Koffein hat eine Halbwertszeit von 12 Stunden. Insgesamt sollte man in diesem Zeitraum eine Dosis von 800 bis 1000 mg nicht unbedingt überschreiten.

Ein praxisnaher Anwendungstipp wäre zum Beispiel 100 mg Koffein pro Stunde. Aber nur wenn man es verträgt. Vorher unbedingt ausprobieren. Koffein hat auch negative Effekte. Es wirkt in höheren Dosen beispielsweise entwässernd. Wer einmal mit Koffein angefangen hat, sollte während des Wettkampfes nicht mehr damit aufhören, um nicht in ein tiefes Koffeinloch zu fallen. Es empfiehlt sich daher, erst später im Rennen Koffein zuzuführen. Zum Beispiel wenn man bei einem Ultratrail in die Nacht läuft.

 

  • Was machen bei sehr sensiblem Magen/ andauernden Magenproblemen?

Sehr wichtig: Auf ausreichend Flüssigkeit achten. Oft ist Flüssigkeitsmangel beziehungsweise eine zu hohe Konzentration bestimmter Stoffe im Magen der Auslöser für derartige Probleme. Ansonsten ist das Thema natürlich hoch individuell und man muss ein wenig selbst herausfinden, was hilft. Ausprobieren kann man echte Lebensmittel, die den Magen beruhigen: Bananen, Salzstangen und weiteres.

 

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