Zahlen und Storylines vom Broken Arrow Skyrace und vom anstehenden Western States 100

Immer montags präsentieren wir euch die Zahlen des vergangenen Wettkampfwochenendes. Hinter jeder Zahl verbirgt sich eine kleine Geschichte, die interessant, spannend, lustig oder einfach nur informativ ist. An diesem Wochenende schauen wir auf Lukas Ehrle beim Broken Arrow Skyrace und werfen einen Blick auf die Favoriten des Western States 100.

DREI:DREIßIG SAT-Pace

Der 20-jährige Lukas Ehrle aus Villingen behauptet sich im Olympic Valley an der Weltspitze des Trailrunnings.

Nachdem der Student der University of Mississippi Anfang Juni beim European Cup über 10.000 Meter in 28:40 Minuten eine neue Bestzeit aufgestellt hatte, startete er am Freitag beim Broken Arrow Vertical. Angereist war er erst kurzfristig aus Europa – was ihm laut eigener Aussage nicht nur in den Knochen steckte, sondern auch dazu führte, dass er weder seine gewohnten Schuhe noch seine Verpflegung zur Verfügung hatte. Nichtsdestotrotz finishte er auf einem respektablen 15. Platz – immerhin noch vor Kilian Jornet. Auch Jornet hatte mit der langen Reise und einer dadurch verursachten Erkältung zu kämpfen und belegte letztendlich Rang 23, kurz vor der ersten Frau.

Das aufgrund starker Winde auf 550 Höhenmeter verkürzte Rennen gewannen die beiden US-Amerikaner:innen Anna Gibson und Christian Allen.

Das Broken Arrow Skyrace ist ein Rennen, das im Skigebiet Palisades Tahoe im Olympic Valley stattfindet – dem Ort, der nur eine Woche später die Startkulisse des legendären Western States 100 bildet. Am Sonntag wurde dort mit dem Broken Arrow Skyrace über 23 Kilometer und 1.300 Höhenmeter das nächste Rennen der Golden Trail World Series ausgetragen. Für die Serie ist das eine vergleichsweise kurze Distanz, die Lukas Ehrle gut liegen sollte. Erstmals stellte sich der junge Asics-Athlet der weltweit stärksten Konkurrenz im Trailrunning bei einem Rennen der Golden Trail World Series. Von Beginn an ging er das hohe Tempo des favorisierten Führungstrios – bestehend aus Elhousine Elazzaoui, Philemon Kiriago und Patrick Kipngeno – mit. Auch der Sieger des Verticals, Christian Allen, konnte dieses Tempo halten. Am Ende musste sich Ehrle allen Vieren geschlagen geben, finishte aber auf einem sensationell starken fünften Platz, nur wenige Sekunden hinter Allen. Wir freuen uns jetzt schon darauf, was Lukas mit weiteren Trainingsjahren und noch spezifischerer Trail-Vorbereitung zu leisten imstande sein wird.

Zegama-Sieger Elazzaoui (NNormal) konnte seinen Vorsprung in der Gesamtwertung weiter ausbauen. Er siegte knapp vor Kiriago und Kipngeno. Mit ihrem Sieg bei den Frauen machte die Kenianerin Joyce Njeru den Doppelsieg für den Ausrüster NNormal perfekt. Sie setzte sich in einem spannenden Zweikampf gegen Madalina Florea durch, die weiterhin die Gesamtwertung anführt. Anna Gibson, die Siegerin des Verticals, belegte Rang drei.

Spannend: Die Top 5 des Broken Arrow Skyraces liefen laut Strava eine SAT-Pace von 3:30 min/km. Die SAT-Pace ist die steigungsangepasste Pace (englisch: GAP-Pace). Lukas Ehrle absolvierte die 23 Kilometer und 1.300 Höhenmeter in unfassbar schnellen 1:45:19 Stunden – das entspricht einer tatsächlichen Pace von 4:34 min/km. Die 1.300 Höhenmeter plus das anspruchsvolle Gelände führten laut Strava nur zu einer um eine Minute langsameren Pace als im Flachen. Das erscheint uns doch etwas wenig. Es darf außerdem davon ausgegangen werden, dass jeder der fünf Spitzenläufer eine 1:45-Stunden-Effort-Strecke im Flachen deutlich schneller als in 3:30er Pace absolvieren würde. Die Umrechnung der Pace auf eine steigungsbereinigte Variante führt unserer Wahrnehmung nach nach wie vor zu Werten, die tendenziell zu hoch bzw. zu langsam sind – wohl vor allem deshalb, weil der technische Anspruch des Geländes nicht in die Berechnung einfließt.

Lukas Ehrle läuft ins Ziel des Broken Arrow Skyrace © Rising Story

Western States: Top ZEHN Favoriten und Favoritinnen

Kommendes Wochenende ist es soweit: Rund 370 Läuferinnen und Läufer des Western States Endurance Run werden im Squaw Valley, das erst vergangenes Wochenende Schauplatz des Broken Arrow Skyrace war, auf ihre 100-Meilen-Reise geschickt. Das Ziel befindet sich nach 161 Kilometern durch die Sierra Nevada im Stadion-Oval von Auburn.

Dieses Jahr sprachen viele Beobachter besonders bei den Männern vom wohl kompetitivsten und bestbesetzten Western States 100 aller Zeiten. Nach der Absage des Titelverteidigers Jim Walmsley aufgrund einer Knieverletzung sowie weiterer Absagen von Hayden Hawks (Dritter 2024) und Jia-Sheng Shen (Achter 2024) hat sich diese Einschätzung jedoch etwas relativiert.

Dennoch ist ein super-schnelles, spannendes und charakterstarkes Feld sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen am Start. Wir stellen unsere Top-Ten-Favoriten vor – darunter auch zwei Deutsche.

Wird sich die Geschichte wiederholen? Kilian Jornet bei seinem Zieleinlauf des Western States im Jahr 2011. Foto: Salomon

WSER-Favoritinnen: Top Ten

Fu-Zhao Xiang

Die Chinesin lief im letzten Jahr die drittbeste jemals gelaufene Zeit beim Western States. Dies reichte allerdings nur für Platz zwei. Nur die Siegerin Katie Schide war schneller – sowie Courtney Dauwalter, die 2023 mit 15:29:33 einen Streckenrekord aufstellte. Zu weiteren Top-Leistungen von Xiang gehört der vierte Rang beim UTMB 2023.

Riley Brady

Riley Brady bezeichnet sich selbst als non-binäre Athletin. Im Frauenfeld gehört sie definitiv zu den Top-Favoritinnen. Nicht, weil sie beim Western States bereits erfolgreich war – 2023 wurde sie nur Vierzehnte – sondern weil sie in jüngster Vergangenheit mehrfach Eindruck schindete. So gewann sie gleich zwei Golden Tickets: einmal beim Javelina 100 Mile und außerdem beim Black Canyon 100K, den sie in Streckenrekordzeit gewann.

Eszter Czillag

Die in Hongkong lebende Ungarin wurde in den vergangenen beiden Jahren jeweils Dritte beim Western States. Beim dritten Versuch will sie dieses Ergebnis noch toppen.

Emily Hawgood

Noch eine Athletin, die mit dem Western States sehr vertraut ist. Die Terrex-Athletin aus Simbabwe hat schon vier Top-Ten-Finishes in Auburn auf dem Konto. Sie verbesserte sich von Platz sieben 2021 auf Platz vier 2024. Wartet dieses Jahr das Podium?

Ida Nilsson

Die erfahrene Schwedin lief im vergangenen Jahr auf Rang fünf und stellte damit einen Masters-Rekord auf. Ida ist inzwischen 44 Jahre alt, läuft für Craft und gründete vor einigen Jahren zusammen mit Emelie Forsberg und Mimmi Kotka die Nutrition-Marke Moonvalley.

Heather Jackson

Die ehemalige Triathletin und Rennradfahrerin startet nun für Hoka als Trailrunnerin. Auch sie gehört mit 41 Jahren zu den erfahreneren Athletinnen. Letztes Jahr wurde sie Siebte beim Western States und Vierte beim UTMB.

Marianne Hogan

Wenn die Kanadierin Marianne Hogan einen 100-Meilen-Lauf bestreitet, zählt sie immer zu den Favoritinnen. Die sympathische Salomon-Athletin finishte 2022 auf Platz drei beim Western States und wurde Zweite beim UTMB. Hogan läuft nicht viele Rennen, aber wenn sie läuft, performt sie.

Rosanna Buchauer

Wir erinnern uns: Rosanna Buchauer gewann ihr Golden Ticket durch einen famosen dritten Platz beim letztjährigen CCC. Ausgerechnet beim Western States 100 gibt sie nun ihr 100-Meilen-Debüt. Ähnlich wie ihr Teamkollege Hannes Namberger bestand die Herausforderung für die Wahl-Innsbruckerin darin, sich in den vergangenen Monaten auf das ungewohnt laufbare Terrain und die Hitze vorzubereiten. Die Top Ten sind für sie auf jeden Fall in Reichweite. Beim Debüt wäre aber jegliches Finish in einer soliden Zeit als absoluter Erfolg zu werten.

Tara Dower

Tara Dower war in sämtlichen Medien auch über das Trailrunning hinaus sehr präsent, seit sie im vergangenen September den Overall-FKT auf dem Appalachian Trail aufstellte – und damit schneller war als der Belgier Karel Sabbe. Dass die Altra-Athletin aber auch schnell laufen kann, hat sie ebenfalls mehrfach unter Beweis gestellt. Dieses Jahr wurde sie beispielsweise Zweite beim Black Canyon 100K hinter Riley Brady.

Caitlin Fielder

Eine äußerst schnelle Läuferin ist die Neuseeländerin Caitlin Fielder. Wir kennen sie eher von kürzeren Rennformaten wie der Golden Trail Series. Ihr Golden Ticket verdiente sie sich mit einem zweiten Platz beim Tarawera 100K hinter Ruth Croft. Bei diesem schnellen 100er finishte sie in 8:30:45. Bei ihrem 100-Meilen-Debüt beim Western States dürfte es deutlich länger dauern. Wir sind gespannt.

WSER-Favoriten: Top Ten

Kilian Jornet

Nach der Absage von Jim Walmsley ist der Zweitplatzierte beim Chianti by UTMB wohl der Top-Favorit des Rennens. Bei jedem alpinen Hundertmeiler wäre er es ohne Frage. Nur Hitze und das laufbare Terrain gehörten ursprünglich nicht zu den Kernkompetenzen von Kilian Jornet, weshalb er diesem Rennen seit seinem Sieg im Jahr 2011 fernblieb. Nun aber scheint er sich erstmals wirklich spezifisch und akribisch auf das Rennen vorbereitet zu haben: Seine zwei Trainingsläufe über 80 Kilometer und 2.300 Höhenmeter in sechs Stunden zeugen von einer unfassbaren Form.

Rod Farvard

Der kräftige Läufer mit dem markanten Schnauzbart wurde letztes Jahr Zweiter, nur wenige Minuten hinter Jim Walmsley. In einem Reel der UTMB World Series hadert er damit, nicht mit Jim mitgegangen zu sein, und sagt, dass die Top-Athleten wohl alle mit einem ähnlichen Fitness-Level an den Start gehen und es am Ende Kleinigkeiten sind, die über Sieg und Niederlage entscheiden.

Adam Peterman

Der Hoka-Athlet gewann den Western States im Jahr 2022. Bemerkenswert: Bis dahin hatte Adam Peterman noch keinen Ultralauf verloren. Im selben Jahr wurde er Weltmeister in Thailand. Nach einer längeren Verletzungspause meldete er sich mit einem starken dritten Rang beim letztjährigen CCC zurück. Um das Rennen erneut zu gewinnen, wird er seine Zeit von 2022 (15:13:48) wohl deutlich unterbieten müssen.

Vincent Bouillard

Auch der amtierende UTMB-Champion ist am Start. Bouillard überraschte alle, als er letztes Jahr die große Runde um den weißen Berg gewann. Im Frühjahr finishte der Hoka-Athlet nur wenige Minuten hinter Kilian Jornet beim Chianti by UTMB auf Rang drei. Es bleibt abzuwarten, ob er seine phänomenale Leistung beim UTMB 2024 bestätigen kann.

Hannes Namberger

Ähnlich wie bei Kilian Jornet hätte man bis vor Kurzem auch die Stärken von Hannes Namberger eher im steilen, unlaufbaren und alpinen Terrain vermutet. Doch dass der Ruhpoldinger auch schnell und flach kann, bewies er bereits im Februar, als er den Bad Füssing Halbmarathon in 1:07 lief. Noch besser kann er aber lang und laufbar: Beim Canyons Endurance Run sicherte er sich im April das Golden Ticket für den Western States. Für den Dynafit-Athleten ist es also die zweite USA-Reise innerhalb kürzester Zeit. Der so wichtige Edel-Support in Form seiner Frau Ida und seines Sohnes Toni ist daher im Gegensatz zum April nicht mit an Bord.

Peter Frano

Der Slowake steigerte sich von Jahr zu Jahr. 2023 wurde er Dritter bei der WM in Innsbruck und Siebter beim CCC. 2024 lief er bereits auf Rang zwei beim CCC (und holte sich das Golden Ticket), und dieses Jahr im Mai gewann er die Transvulcania. Der Western States wird allerdings sein 100-Meilen-Debüt.

David Roche

Wir haben den eloquenten und auf Dauerfrequenz sendenden Ultraläufer kürzlich ausführlich porträtiert. Kaum jemand bereitete sich so nerdig und akribisch auf dieses Rennen vor. Wird die Vorbereitung aufgehen und David Roche die Ultratrail-Welt nach seinem Streckenrekord beim Leadville einmal mehr überraschen?

Hans Troyer

Sie nennen ihn „The Kid“. In einer kürzlich veröffentlichten Doku haben wir diesen außergewöhnlichen Charakter genauer kennengelernt. An Leidenschaft und Willen scheint es dem 25 Jahre jungen Ultratrail-Talent nicht zu mangeln. Beim Canyons Endurance Run finishte er einen Platz vor Hannes Namberger und sicherte sich das heiß ersehnte Golden Ticket. Hans Troyer verbesserte bei Bandera 100K den Streckenrekord von Jim Walmsley aus dem Jahr 2016.

Daniel Jones

Der Neuseeländer finishte letztes Jahr auf Rang 4 in 14:32 und weiß daher, wie man einen schnellen Western States läuft. Der Terrex-Athlet wurde beim CCC letztes Jahr ebenfalls Vierter.

Caleb Olson

Der Nike-Athlet überraschte letztes Jahr mit dem fünften Rang. Kann er diese starke Performance wiederholen?

Das Wetter in Kalifornien präsentierte sich am vergangenen Wochenende noch winterlich: In der Sierra Nevada fiel Schnee. Für das Western-States-Wochenende sind jedoch wieder die üblichen 30 Grad und mehr vorhergesagt.

Das kommende Wochenende wird zum Trailrunning-Superwochenende: Neben dem Western States wird auch beim Lavaredo Ultratrail in Italien, beim Stubai Ultratrail in Österreich, bei der Golden Trail World Series in Mexiko, beim Kaiserkrone Trail in Tirol, beim Mont Blanc Marathon in Chamonix und beim Sachsen Trail im Erzgebirge gelaufen.

Seid also schon jetzt gespannt auf die Zahlen und Storylines am kommenden Montag.

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