Doch auch jenseits dieser grundlegenden ethischen Bedenken: Auch rein praktisch stößt die aktuelle Generation der KI-basierten Coaches noch an ihre Grenzen – besonders dort, wo die Komplexität der realen Welt auf die Grenzen der Parametrisierung und Objektivierung trifft.
KI hat im Straßenlauf-Training bereits beeindruckende Fortschritte erzielt und stellt eine ernstzunehmende Alternative sowohl zu algorithmenbasierter Analyse-Software als auch zu menschlichen Trainern dar. Die ersten spezialisierten Apps zeigen bereits heute, wie präzise maschinelles Lernen individuelle Anpassungen vornehmen kann.
Beim Trailrunning jedoch stößt die künstliche Intelligenz an ihre Grenzen. Die Komplexität der Variablen ist hier deutlich größer als auf ebenem Asphalt. Während sich Tempo, Herzfrequenz und Streckenlänge noch gut vermessen lassen, sind andere Faktoren kaum fassbar: der technische Anspruch einer Passage, der aktuelle Zustand des Trails – ob voller Schlamm nach Regenfällen oder mit rutschigen Restschneefeldern überzogen – und vor allem die höchst individuellen Reaktionen der Läufer auf solche Bedingungen. Ein erfahrener Trailrunner mag mühelos durch loses Geröll navigieren, während ein Straßenläufer dort ins Stocken gerät. Die feinen Unterschiede der Läufer hinsichtlich Erfahrung, Technik und psychischer Verfassung sind für KI-Systeme schwer zu erfassen.
Fairerweise muss man sich fragen: Sind menschliche Trainer hier wirklich so viel besser? Auch für sie ist es herausfordernd, sich vollständig in die spezifische Situation eines Athleten hineinzuversetzen, denn sie erleben ihn ja nie auf dem Trail selbst, sondern müssen seinen Berichten vertrauen.
Der entscheidende Vorteil menschlicher Coaches liegt aber in der nonverbalen Kommunikation und situativen Intelligenz. Ein erfahrener Trainer erkennt sofort, ob ein Athlet wirklich erschöpft ist oder schlicht unmotiviert ist. Er spürt Unsicherheiten, kann zwischen den Zeilen lesen und reagiert empathisch auf emotionale Schwankungen. Diese echte Empathie kann in kritischen Situationen oft mehr ausrichten als die zwar freundlichen, aber oft vorhersagbaren Äußerungen von Sprachmodellen.
Noch gewichtiger ist der Faktor Accountability: Die Verpflichtung des Athleten gegenüber einem Menschen aus Fleisch und Blut wiegt meist schwerer als die gegenüber einer App. Man will den Trainer nicht enttäuschen, man will sich vor ihm nicht blamieren. Diese soziale Komponente schafft eine Verbindlichkeit, die digitale Assistenten – trotz Push-Nachrichten und Gamification – nur schwer erreichen.
Dabei ist die Entwicklung längst nicht abgeschlossen. Was Large Language Models derzeit als Trainingspläne formulieren, wie sie mit uns kommunizieren, lässt sich als solide Hausmannskost bezeichnen – funktional, aber noch weit entfernt von Perfektion. Doch die vergangenen Jahre haben eindrucksvoll gezeigt: Die KI-Entwicklung vollzieht sich in einem Tempo, das einem schwindlig werden lässt. Was heute als technische Grenze gilt, kann morgen bereits eine etablierte Methode sein. Daher wird sich auch im Bereich der KI-basierten Trainingssteuerung noch viel bewegen.