Alpines Trailrunning: Tipps für das sichere Laufen im technischen Gelände

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Das Laufen über Grate, Felsblöcke und Schneefelder übt eine ganze besondere Faszination auf uns Trailrunner aus. Nach einer Liebeserklärung, geben wir sieben Tipps für alpines Laufen.

Die Hand auf dem Fels und das Herz in der Hand! Mut und Zutrauen sind gefordert, wenn wir Läufer diese Passagen passieren müssen, die von uns den ungewohnten Handeinsatz erfordern. Wir müssen den Trail verlassen. Den Trail, von dem wir wissen, dass er uns sicher an das anvisierte Ziel bringen wird. Wir müssen eintauchen. Eintauchen in die Ungewissheit des Geländes. Der Off-Trail wird zum Sinnbild! Sinnbild für unkonventionelle Lebenswege, für mutige Entscheidungen, für Wagnis statt Sicherheit.

Oft sind es gerade diese Wege bzw. Anti-Wege, die uns positiv überraschen, uns die größten Glücksmomente bescheren, uns jubilieren und leben lassen. In unserem Sport führen diese Wege über Grate, durch schroffes Schrofengelände, über unübersichtliches Blockgelände und steile Felswände. Wir springen, wir klettern, wir steigen und ja, manchmal laufen wir sogar. Das Gelände als steter Faktor. Als Variable die Fortbewegung. Wir verlieren uns im Fluss ihrer Vielseitigkeit. Gehen auf in ihrer Ursprünglichkeit, in ihrer Unmittelbarkeit. Und vergessen alles um uns herum.

© Mammut

Ungewissheit, Ursprünglichkeit, Unmittelbarkeit – wahrscheinlich beschreiben diese drei Wörter die Reize und Aversionen des alpinen Laufens ganz gut. Sich im alpinen Gelände schnell zu bewegen, mag nicht so richtig in unsere moderne Zeit der doppelten Böden, Sicherheitsnetze und Vollkasko-Versicherungen passen. Und vielleicht ist das Laufen im hochalpinen Gelände gerade deswegen so reizvoll. Kein Handyempfang, keine Anzeichen von Zivilisation, unter Umständen auch kein Weg. Wer dort oben läuft, ist gefangen in der Natur. Im positivsten Sinne gefangen, wenn einem die Schönheit der elementarsten Dinge vergegenwärtigt wird: Wegfindung, sichere Fortbewegung, Navigation, Nahrungsaufnahme. Man kann gar nicht anders. Das Gelände zwingt einen zum Fokus. Und damit zum Zurücklassen von Alltag, Stress und allen zivilisatorischen Verpflichtungen.

ABER: Ein falscher Schritt und vorbei ist alle Romantik. Alpines Laufen kann viel geben, fordert aber auch viel, wie beispielsweise koordinative Fähigkeiten im Umgang mit dem Gelände, Kraftausdauer im steten Wechsel aus Springen, Steigen, Laufen und natürlich mentale Beständigkeit beim Blick in die Tiefe und beim Passieren heikler Passagen. Wir haben 7 Tipps für Euch, wie Euch der schnelle Schritt im alpinen Gelände mit viel Sicherheit und noch mehr Spaß gelingt.

  • Der Laufstil

    Verabschiede dich im Kopf von gängigen Laufmustern. Laufen im technischen Gelände ist näher am Stepptanzen als am Marathonlaufen. Kleine schnelle Schritte, Vorfuß und eine kurze Bodenkontaktzeit sind das Mittel der Wahl. Nutze Ausgleichsbewegungen der Arme, um die Balance zu halten, bleibe aber stabil in der Hüftregion. Oft erwischt man sich dabei in Rücklage zu geraten. Gerade im Downhill. Versuche in solchen Fällen deinen Körperschwerpunkt wieder nach vorne zu bringen, indem du den Oberkörper nach vorne schiebst. Ab und an wird es sich nicht vermeiden lassen, aufgrund der Geländegegebenheiten lange Schritte oder sogar Sprünge zu machen. Fange den Sprung immer mit dem Vorfuß ab und bringe den Körperschwerpunkt schnell wieder über den vorderen Fuß und laufe mit kleinen schnellen Schritten weiter.

    Für viele Läufer und Läuferinnen ist die Koordination einer hohen Schrittfrequenz herausfordernd. Das neuronale System wirkt sich limitierend aus. Lauf ABC, Seilspringen oder Skipping hilft deine Synapsen auch abseits des Berges zu trainieren.

  • Der Kopf

    Selbst wenn du koordinativ gut drauf bist, gibt es noch eine weitere Limitation: die Angst. Angst ist prinzipiell erst mal nichts Schlechtes. Besonders im alpinen, oft auch Absturz-gefährdeten Gelände bewahrt sie dich vor Übermut und Unüberlegtheit. Andersherum kann die Angst, wenn sie überhandnimmt, auch gefährlich werden. Wenn du unsicher und fahrig wirst, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Stürzen und Missgeschicken. Es gibt leider keinen einfachen Trick, um die Furcht vor dem Fallen oder die Angst in der Höhe abzuschütteln. Höhenangst hat jeder einmal. Auch der größte Alpinprofi. Sie sollte aber nicht so stark sein, dass sie dich lähmt oder hemmt. In dem Fall kehre frühzeitig um. Ein guter Tipp ist, den Blick in die Tiefe konsequent zu meiden und sich stattdessen auf den Weg und die Bewegung selbst zu konzentrieren. Je öfter du im alpinen Gelände unterwegs bist und je sicherer du in deinen Bewegungen wirst, desto weniger Angst wirst du verspüren.

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  • Der Grat

    Es gibt nichts Erhebenderes als auf einem Grat oder Kamm entlang zu laufen. Rechts Tiefe, links Tiefe und du oben auf. Der Höhepunkt des Laufens! Gratlaufen heißt aber nicht, dass man sich immer auf dem Scheitelpunkt bewegen muss. Oft ist ein paar Meter rechts oder links vom Grat der einfachere und sicherere Weg. Es gibt einfache Grate, die sich gut laufen lassen, aber auch anspruchsvolle Wege, die Schwindelfreiheit und Klettergeschick verlangen. In letzterem Fall reduziere unbedingt drastisch das Tempo und vergewissere sich immer wieder, dass du auf dem einfachsten Gratweg bist. Die Hinweise zur Höhenangst und zum Scrambling sind am Grat von erhöhter Relevanz.

  • Das Schneefeld

    Im alpinen Gelände wirst du, insbesondere im Frühsommer unweigerlich auf Altschneefelder treffen. Manchmal ist dies von Vorteil. Um schnell den Berg hinunter zu kommen, kann ein Schneefeld sehr nützlich sein. Bevor du ein Schneefeld runterrutscht, vergewissere dich, dass es nicht zu steil wird und der Ausstieg gesichert ist. Flache Altschneefelder kannst du hinab laufen. In steileren Schneefeldern kannst du entweder auf dem Po oder auf den Füßen hinuntergleiten. Letzteres erfordert etwas mehr Geschick. Achte dabei immer darauf, die Geschwindigkeit unter Kontrolle zu haben. Solltest du doch mal zu schnell werden und die Kontrolle verlieren, drehe dich auf den Bauch und gehe in Liegestützposition. Mit den Händen und Füßen stemmst du dich in den Schnee, bis du zum Stoppen kommst.

    Schneefelder zu queren, kann oft heikel werden. Unterschätze das nie. Willst du Schneefelder queren, stampfe möglichst große und feste Tritte in den Schnee. Halte die Schrittlänge kurz, um nicht die Balance zu verlieren. Versuche, den Oberkörper aufrecht zu halten und dich nicht zum Berg zu neigen.

     

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  • Das Scrambling

    Scrambling fängt da an, wo das Laufen aufhört und das Klettern beginnt. Schwierigkeiten vom ersten oder zweiten Grad (UIAA Skala) kannst du mit Erfahrung und Können meist seilfrei begehen. Sehr sichere Trailrunner können vielleicht auch noch im unteren dritten Grad seilfrei unterwegs sein. Spätestens ab oberen dritten, oder gar 4. Grad, sollte man aber nicht mehr ohne externe Sicherung laufen, klettern oder scrambeln. Logisch: Wer scrambelt, sollte sich von der körperlichen Anstrengung her nicht am Limit bewegen, sondern immer noch genügend Energiereserven aufsparen. Achte beim Kraxeln darauf, die Aufstiegsarbeit komplett den Beinen zu überlassen. Die Hände am Fels geben dir Balance und Sicherheit, steigen tust du aber aus den Füßen heraus. Vermeide es, zu große Schritte zu machen. Verliere nicht aus den Augen, wohin du steigst. Bist du dir unsicher, ob du noch auf dem richtigen Weg bist, erwäge die Umkehr. Sich in sehr ausgesetztes und absturzgefährdetes Gelände zu versteigen, geht schnell.

  • Der Schuh

    Der Trend bei Trailrunningschuhen geht immer mehr in Richtung reaktive und weiche Schäume. Diese Schuhe sind klasse und eine super Wahl, wenn es laufbar bleibt. Bist du aber am groben Gelände unterwegs, sind diese Schuhe, die weniger Rückmeldung vom Untergrund zulassen, fehl am Platz. Hier brauchst du einen direkten Schuh, bei dem der Fuß nah am Boden steht. Außerdem wichtig: Schutz und Stabilität. Was du nicht willst, ist jeden Stein spüren, wie er sich schmerzhaft in deine Fußsohle drückt. Eine Platte im Schuh macht also Sinn. Genauso wie schützende Verstärkungen im Obermaterial. Eine enge Passform an Mittelfuß und Ferse gibt dir viel Sicherheit, deinen Fuß präzise zu setzen.

  • Die Ausrüstung

    Wir bleiben beim Laufsport. Solange du dich im alpinen Gelände in moderaten Schwierigkeiten aufhältst (siehe Scrambling), kannst du den Trailrunning-Stil beibehalten und brauchst keine zusätzlichen Sicherungsgeräte wie Karabiner, Klettersteigset und Seil. Ein Helm ist dagegen in einigen Fällen angebracht. Informiere dich vorher über die Steinschlaggefahr der Tour. Ein leichter Helm stört beim Laufen überhaupt nicht und kann auch gut an der Laufweste befestigt werden. Was du außerdem immer dabei haben solltest: Ein Erste Hilfe-Set mit Rettungsdecke, Mullbinde und großen Pflastern, eine gute Regenjacke und je nach Jahreszeit wärmende Kleidung wie Hose, Midlayer, Handschuhe, Mütze. Bist du im Gelände unterwegs, welches viel Handeinsatz erfordert, sind Handschuhe sowieso keine schlechte Wahl. Grödel bzw. Leichtsteigeisen können vor allem im Frühjahr und Frühsommer die Nerven beruhigen, wenn harte oder nur leicht angetaute Schneefelder passiert werden müssen.

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Alpines Laufen ist für einige der Gipfel des Trailrunning-Genusses, der Höhepunkt des Bewegungsflows. Andere hingegen wollen mit der Sache nichts zu tun haben, mit beiden Beinen (und Händen) auf dem Boden bleiben. Auch das ist natürlich vollkommen in Ordnung.

Für alle anderen aber gilt: Traut euch. Nehmt das Herz in die Hand und legt die Hand auf den Fels. Trail und Normen bleiben zurück. Ungewissheit und Glückseligkeit werden euer Lohn sein.

Dieser Text ist in Kooperation mit Mammut entstanden.

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