Warum ich nur einen einzigen Vorsatz für das Laufjahr 2025 habe

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Alles neu im neuen Jahr? Jahreswechsel laden dazu ein, das vergangene Jahr zu bewerten und Vorsätze für das kommende Jahr zu formulieren. Unser Autor Daniel findet sich dieser Tage in der „Wertungsfalle“ wider. Er nimmt sich deshalb nur eine einzige Sache für sein Laufjahr 2025 vor.

Wir haben Januar und mit dem Jahreswechsel kommen sie wieder. Unsere Neujahrsvorsätze. Unbeschreiblich, dass der Wechsel eines Kalenderjahres auf uns eine solche Wirkung hat. Und dennoch nachvollziehbar. Wir lieben es, Dinge abzuschließen. Mit Stolz zurückzuschauen. Und Pläne zu schmieden. Letzteres ist für mich der schönste Teil. Meinen Jahreskalender zu öffnen – es steht nun eine Fünf an letzter Stelle – und mir auszumalen, was ich dieses Jahr alles erleben will. Und auch, was ich erreichen will. Ziele. Meilensteine. Und für manchen Wettkampf irgendwie auch nur Steine.

Doch wer nach vorn blickt, wirft den Stein oftmals erst in die entgegengesetzte Richtung. Welche Ziele habe ich 2024 erreicht? Welche habe ich verpasst? Beinahe verlieren wir uns irgendwo zwischen Zahlen, Daten & Fakten. Und selbst wenn wir nicht aktiv in den Rückspiegel schauen, trifft uns der Stein der Rückschau an der Schläfe. Mal mehr, mal weniger wuchtig. Die sozialen Plattformen der Sportwelt haben das Bedürfnis erkannt und schmeißen den Rückblick auf “dein Sportjahr” direkt vor meine Tür. Ob ich will oder nicht. Doch der Stein ist nicht zu übersehen, so wie er da auf meiner Türmatte liegt. Ich lasse ihn durch meine Hände gleiten und wiege das “Sportjahr” ab. Zahlen, Daten, Fakten. Hübsch aufbereitet und ansehnlich verpackt.

Blick nach vorn: Unser Autor Daniel Arnold trotzt dem Winter. Foto: privat

Glücklicherweise ist mit diesen Rückblicken häufig eines verbunden: Stolz. Zumindest bei denjenigen, die es aktiv teilen. Mit einher geht jedoch aus meinem Blickwinkel in erster Linie eines: eine Wertung. Es ist grotesk. Nicht die Sehnsucht danach auf die vollbrachten Leistungen zurückzublicken. Sondern eben jene Wertung. Wenn ich meinen Strava-Rückblick teile, tue ich das in der Erwartung, dass es ein gutes Jahr war. Wo auch immer die Definition von gut liegt. Vermutlich ganz tief vergraben. Gemeinsamen mit meinem moralischen Kompass in meinen Social Media Feed.

Ich teile mein Jahr in der Erwartungshaltung, dass auch andere dieser Meinung sind. Auch mir ist dieser Zuspruch von außen wichtig. Es gleicht nahezu einer Obsession, zum Jahresende durch meine Statistiken zu fliegen. Doch obwohl ich glaube, eine gesunde Flughöhe zu haben, auch ich selbst lande immer wieder in der Wertungsfalle.

Ich stolpere über meinen Stein und fange an zu vergleichen. Nicht nur habe ich die Steine anderer Jahre in der Vitrine – manche unsagbar schwer, dass ich beim Gedanken allein verzweifel, nochmal einen solch großen zu erlangen. Doch vergleiche ich nicht nur meine Steine. Mein Sportjahr. Durch die offenen Fenster der Social Media Kanäle sehe ich auch die Vitrinen hunderter weiterer Sportler:innen. Mehr noch, ich werde regelrecht eingeladen, einen Blick auf die Sammlungen teils obskurer Jahressteine zu werfen.

Und natürlich vergleichen wir. Doch vergleichen wir nicht Zahlen, Daten, Fakten. Was ohne Kontextinformationen schon fahrlässig genug wäre. Wir vergleichen in erster Linie Interpretationen. Und zwar unsere eigene. Das macht es so schwer. Während ich bei anderen Sportlerinnen und Sportlern versuche, meine Bewunderung in den Vordergrund zu stellen, ist mein Maßstab an mich ein anderer. Ist die Wertungsfalle zugeschnappt, komme ich so leicht nicht mehr heraus. Und wer in der Falle sitzt, dem fällt es schwer, positiv dreinzublicken. Mir jedenfalls fällt es schwer.

" Ich habe weniger (zu wenig!) Jahreskilometer. Weniger (viel zu wenig!) Berge erklommen. Und mein eigener Ruhepuls (zu hoch!) war 2023 auch erheblich geringer. "

Daniel Arnold

Zermürbt von den Vergleichen mit den großen Sportskanonen des Internets passiert manchmal Tragisches. Aus dem Stolz auf ein Sportjahr erblüht ein Gefühl der Ungenügsamkeit. Ich habe weniger (zu wenig!) Jahreskilometer. Weniger (viel zu wenig!) Berge erklommen. Und mein eigener Ruhepuls (zu hoch!) war 2023 auch erheblich geringer. Aus dem Meer aus Zahlen, Daten, Fakten entspringt ein Fluss. Ein trübes Gewässer, das kontinuierlich ins neue Jahr fließt. Dort entsteht ein neues Meer. Ich möchte ins Boot steigen und das abfließende Wasser des vergangenen Jahres nutzen. Die Strömung mir zu eigen machen. Ich brauche keine bessere Strömung. Ich brauche nicht einmal eine gute Strömung. Ich brauche nur eine Strömung. Oder einen Anstoß. Dann ergreife ich das Paddel, denn ich lasse mich nicht einfach nur treiben.

Blick nach vorn: Unser Autor Daniel Arnold trotzt der Hitze. Foto: privat

Ich nehme den Schwung mit auf meine Reise ins neue große Meer. Sicher sammele ich auch in diesem Flussbett Steine. Meine Ziele. Manche werden sich in Zahlen, Daten, Fakten messen lassen. Messen ist rational. Und danach einen Strich zu ziehen und zu schauen, welche Ziele ich erreichen konnte und welche nicht, ebenso. Ich möchte auch kommendes Jahr nach Ursachen suchen. Nach Gegenströmungen, die mir das Vorankommen erschweren. Vielleicht kann ich sie identifizieren und irgendwann umfahren. Ich möchte mich jedoch keiner Wertung mehr unterziehen.

Ich schwimme den Fluss aufwärts zum Eingang des Artikels und den Blick auf das Jahr 2025. Ich bin kein Freund von Neujahrsvorsätzen. Oft genug entstehen Vorsätze aus Wertungen unserer selbst. Zu selten aus Wünschen. Mein Wunsch ist es, meine sportlichen Leistungen seltener einer Wertung zu unterziehen. Ich habe ihn doch. Einen Neujahrsvorsatz.

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