„Wenn mich jemand gefragt hätte, wer ich bin, hätte ich immer gesagt, ich bin Ultraläufer.“ Ist einer der ersten Sätze, die Tim Wortmann in der Doku Schmerzfrei sagt. Zu diesem Zeitpunkt ist Tim kein Ultraläufer mehr. Ein Jahr zuvor stürzte er bei einem Trainingslauf 150 Meter in die Tiefe und überlebte knapp, aber schwer verletzt. Fast sechs Jahre nach diesem Unfall treffe ich den Wahl-Bayern bei ihm daheim und begleite ihn auf seinen Hausberg. Tim und ich kennen uns nur flüchtig. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte, war bei der Premiere des schon erwähnten Films. Ein sehr guter Film, der mir damals schon sehr naheging, gedreht vom ehemaligen Elite-Trailrunner Lukas Sörgel. Wenn ich am Berg unterwegs war, dachte ich immer mal wieder an Tim und seinen Unfall. Vielleicht bin ich nicht der Einzige, dem es so ging, hat sein Schicksal innerhalb der deutschsprachigen Trailrunningszene damals doch einiges an Resonanz und Anteilnahme erzeugt. Vor gut einem Jahr hatten Tim und ich ein weiteres Mal Kontakt. Auch ich musste damals mit einem gesundheitlichen Schicksalsschlag umgehen. Die Angst, dass der Satz „Ich bin Ultraläufer“ auch für mich der Vergangenheit angehören sollte, geisterte auch in meinem Kopf. Nun bin ich auf gutem Wege, nach zwei Jahren bald wieder einen Ultratrail zu laufen. Die Dämonen in meinen Kopf sind verschwunden. Die Erinnerung an sie noch immer präsent. Eine Frage ist geblieben: Wie damit umgehen, wenn solch ein Lebensanker, ach komm, sind wir doch ehrlich, wenn DER Lebensanker vom einen auf den anderen Tag wegbricht? Vielleicht ist es egoistisch von mir, Tim, der ein ungleich nachhaltigeres und schwereres Schicksal als ich erfuhr, diese Frage zu stellen. Aber wenn nicht ihm, wem dann. Also los. Ich will wissen: Wer war Tim Wortmann vor dem 19. Juni 2018 und wer ist Tim Wortmann nach dem 19. Juni 2018?