Platte und Super-Schaum – High Performance Schuhe auf dem Trail 

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Auf der Straße längst zum Rekord-Garanten geworden, machen sich Schuh-Modelle, welche den extra Kick an Vortrieb versprechen, nun auch auf dem Trail breit. Was zeichnet gute High Performance Schuhe für Trailrunner im Jahr 2024 aus? 

Das Konzept

Ein weicher, extrem leichter und luftiger Schaum sowie ein Steifigkeit mitbringendes Element (Platte oder ähnliches) in Rockergeometrie zusammengefügt und fertig ist das Rekord-Versprechen in Laufschuhform. Zumindest auf der Straße hat diese ingenieurtechnische Innovation die Laufwelt revolutioniert. Sämtliche Rekorde sind gepurzelt und im Jahre 2024 kann sich kein Laufschuh-Hersteller mehr leisten, einen solchen Super-Schuh nicht im Programm zu haben. Das oben genannte Grundgerüst bleibt dabei stets unverändert, die Ausprägungen variieren jedoch stark. Wie viel Volumen an Schaum wird verbaut? Ist die Platte aus Carbon oder Kunststoff? Beziehungsweise reichen sogar stabilisierende Stangen, welche die Form einer Hand annehmen (Energy-Rods, Adidas)? Wie luftig ist der Schaum produziert? Letztere Frage kulminierte beim neuen Rekordschuh von Adidas, dem Adizero Adios Pro Evo, sogar in der Aussage, dass die Haltbarkeit dieses Modells einen Marathon nicht überschreitet. Denn: Umso weniger komprimiert ein Dämpfungsschaum ist, umso mehr Reaktivität kann man aus ihm herauskitzeln, umso mehr leidet aber logischerweise auch die Langlebigkeit dieses extrem instabilen Konstrukts.

Der Straßenlauf ist eine Aneinanderreihung unzähliger, aber biomechanisch immer genau gleich ablaufender Schrittfolgen. Er ist damit prädestiniert dafür, einen Schuh für genau diesen einen Einsatzzweck, nämlich den größtmöglichen Vortrieb auf ebenem asphaltierten Gelände, zu optimieren. Auf dem Trail sieht dies etwas anders aus.

Trail vs. Straße

Beim Trailrunning vervielfachen sich die Anforderungen an einen Laufschuh. Die dritte Dimension bringt Downhills und Uphills mit sich. Der mal mehr mal weniger unebene Untergrund ist eine weitere Zutat in der umfangreichen Anforderungssuppe. Ein wirklich guter Trailschuh muss viele verschiedene Spielarten beherrschen: Flaches Gelände (Vortrieb), steile Uphills (Flexibilität), technische Downhills (Kontrolle), leicht abfallende Forststraßen (Dämpfungskomfort), alpines Terrain (Protektion und Stabilität) und noch einiges mehr. DEN perfekten Laufschuh für den Trail wird es daher niemals geben. Zu breit das Anforderungsprofil und zu breit gestreut die Signifikanz der genannten Fähigkeiten für jeden einzelnen Trailrunner.

Dennoch spielt das oben beschriebene Technologie-Konzept auch im Trailbereich eine sehr wichtige Rolle. Während es im Straßenlaufsport aber schon seit vielen Jahren etabliert ist (der erste Nike Vaporfly kam 2017 auf den Markt), dauerte es auf dem Trail ein paar Jahre länger, bis die Hersteller die Technologie auf das komplexe Anforderungsprofil des Trailrunnings übersetzen konnten. Vor allem die sehr steife Gesamtkonstruktion der meisten Straßen-Super-Schuhe ist für den Trail nicht geeignet, da die Varianz im Gelände eben auch eine Varianz in der Lauftechnik mit sich bringt. Während man im steilen Uphill und in technischen Abschnitten beispielsweise ausschließlich über den Vorfuß läuft, kann man im flachen oder leicht abfallenden Gelände durchaus über den gesamten Fuß abrollen.

Mittlerweile haben die Hersteller dies verstanden und setzen auf Platten (inzwischen nur noch selten aus Carbon), die durch ihre Materialwahl eine geringere Verwindungssteifigkeit mitbringen (The North Face Summit Vectiv 2.0 oder Merrell Skyfire 2) oder durch ihre mehrteilige Konstruktion mehr Flexibilität zulassen und dadurch streng genommen keine klassischen Platten mehr sind (Terrex Speed Ultra oder Hoka Tecton X2). Auch der völlige Verzicht auf versteifende Plattenelemente und das Herstellen des Vortriebs alleinig durch einen rigiden Dämpfungsschaum sind inzwischen Gang und gäbe (Dynafit Ultra DNA oder Salomon S/Lab Ultra).

Es hat sich herauskristallisiert, dass diese High Performance Schuhe im Trailrunningsport neben dem genannten Vortrieb einen weiteren Trumpf mit sich bringen, der vor allem bei ganz langen Trail-Ultras mit vielen Höhenmetern einen noch entscheidenderen Vorteil liefern könnte: Die enorme Stoßbelastung, die bei eben diesen Rennen für eine enorme Belastung der Oberschenkel-Muskulatur verantwortlich ist, wird durch diese viel Energie aufnehmenden Schuhe merklich reduziert. Wer solch einen Super-Schuh sein eigen nennt, kann unter Umständen also nicht nur schneller, sondern auch länger laufen.

Schnell, aber auch gesund? 

Bei aller Euphorie ist aber auch Vorsicht geboten: Der Vorwurf, dass diese Schuhe für die Fußgesundheit nicht förderlich sind, kommt immer wieder auf und ist bei näherer Betrachtungsweise nicht unbegründet: Ein Fuß, dem die Arbeit abgenommen wird, der eingezwängt in einem sehr formgebenden Schuhkonzept weniger Freiheiten bekommt, wird zwangsläufig gewisse Fähigkeiten abbauen. Wir empfehlen daher unbedingt nicht ausschließlich in High Performance Schuhen zu laufen, sondern regelmäßig auch in neutralere Modelle zu schlüpfen, welche die komplex aufgebaute Fußmuskulatur mehr fordern und trainieren. Ein schöner Nebeneffekt: Wer seinen Super-Schuh zum reinen Wettkampfschuh erklärt, schont den Geldbeutel.

Wie die Alles Laufbar-Redaktion Schuhe testet